Archer, Jeffrey
über ihrem Foto auf der Titelseite der New York Times stand: »Eine mutige Frau hält Einzug im Kongreß.«
Im Lauf des Morgens wurde es völlig klar, daß Abgeordnete Kane über Nacht berühmt geworden war, weil sie keine Rede gehalten hatte. Phyllis Mills, eine Abgeordnete aus Pennsylvania, warnte sie – sie müsse sich ihr nächstes Thema sehr sorgfältig aussuchen, weil die Republikaner mit gezückten Messern auf sie warten würden.
»Vielleicht sollte ich, jetzt, da ich vorn liege, aufgeben«, sagte Florentyna.
Als sich die anfängliche Aufregung gelegt hatte und ihr Posteingang von tausend Briefen pro Woche wieder auf die üblichen dreihundert schrumpfte, begann Florentyna durch zähe Kleinarbeit ihre Stellung zu festigen. In Chicago hatte ihr Name, wie sie bei ihren Besuchen feststellen konnte, bereits einen guten Klang, die Wähler begannen zu glauben, daß sie den Lauf der Dinge tatsächlich beeinflussen könne. Das machte Florentyna Sorgen, denn sie wußte, wie beschränkt die Einflußsphäre eines Politikers ist, versucht er, die übliche Routine zu durchbrechen. Auf lokaler Ebene aber konnte sie den Leuten, die manchmal von dem bürokratischen System einfach überwältigt wurden, ein wenig helfen. Sie nahm für das Büro in Chicago einen weiteren Mitarbeiter zur Betreuung ihres Wahlkreises auf.
Richard war beglückt, daß Florentyna in ihrer neuen Karriere aufging und versuchte, ihr möglichst viel Arbeit abzunehmen, wenn es um die Baron-Gruppe ging. Auch Edward Winchester stand ihr sowohl in New York wie in Chicago stets helfend zur Seite. Besonders in Chicago hatte er in Bürgermeister Daleys verrauchten Zimmern beachtlich an Einfluß gewonnen, seit dieser die Notwendigkeit einer neuen Generation von Politikern für die Präsidentenwahlen von 1972 erkannt hatte. Daleys alte Kollegen hatten sich offenbar mit Florentynas Aufstieg abgefunden. Richard war voll des Lobes, wenn er von Edwards Mitwirkung als Aufsichtsrat sprach und überlegte, ihn auch in den Aufsichtsrat der Lesterbank zu bitten.
Kaum hatte Florentyna das erste Jahr im Repräsentantenhaus hinter sich, als sie Richard klagte, sehr bald mit der Werbung für ihre Wiederwahl beginnen zu müssen.
»Ist das nicht verrückt, jemanden nur für zwei Jahre zu wählen? Kaum hat man sich an die Arbeit gewöhnt, muß man schon wieder mit dem Wahlkampf beginnen.«
»Was würdest du statt dessen vorschlagen?« fragte Richard.
»Nun, die Senatoren werden alle sechs Jahre wiedergewählt, das ist schon wesentlich besser. Ich würde auch den Abgeordneten des Repräsentantenhauses zumindest vier Jahre Zeit geben.«
Als sie sich bei Edward darüber beklagte, teilte er ihren Standpunkt, meinte jedoch, daß sie in ihrem Fall weder von den Demokraten noch von den Republikanern etwas zu fürchten habe.
»Und was ist mit Ralph Brooks?«
»Seit er geheiratet hat, scheint er nur noch auf die Stellung eines Staatsanwaltes zu spitzen. Vielleicht will seine Frau, eine Dame der Gesellschaft, daß er der Politik den Rücken kehrt.«
»Das glaub ich nicht«, meinte Florentyna, »er wird zurückkehren.«
Im September flog Florentyna nach New York und brachte gemeinsam mit Richard William nach Concord in New Hampshire, wo der Junge sein fünftes Jahr in St. Paul beginnen sollte. Das Auto war vollgepackt – mehr mit Stereoanlagen, Rolling-Stones-Platten und Sportgeräten als mit Büchern. Annabel besuchte jetzt die Madeira School, um in der Nähe ihrer Mutter zu sein, zeigte aber keinen Wunsch, in ihre Fußstapfen zu treten und Radcliffe anzuvisieren.
Florentyna war ein wenig enttäuscht, daß Annabel sich ausschließlich für Jungen und Parties zu interessieren schien. Nicht einmal erwähnte sie während der Ferien ihre Fortschritte in der Schule, nicht einmal sah sie ein Buch auch nur an. Sie vermied die Gesellschaft ihres Bruders und wechselte sogar das Thema, wann immer sein Name fiel. Mit jedem Tag wurde deutlicher, daß sie ihrem Bruder die Erfolge mißgönnte.
Carol bemühte sich, das Mädchen zu beschäftigen, Annabel aber hörte nicht einmal auf ihren Vater und kam einmal abends um Stunden später nach Hause, als sie ihm versprochen hatte.
Als Annabel wieder in die Schule zurückkehrte, war Florentyna erleichtert; sie wollte die Ferieneskapaden ihrer Tochter nicht zu ernst nehmen und hoffte, Annabel befinde sich nur in einer Übergangsphase.
Sich in einer Männerwelt zu behaupten, war nichts Neues für Florentyna und sie begann ihr zweites Jahr im
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