Archer, Jeffrey
Kondition war; dann und wann über einen Golfplatz zu schlendern genügte offenbar nicht, um auch nur einigermaßen fit zu bleiben. Mit jedem Schlag wurde ihr klarer, daß William sich kaum anstrengte, und sie war erleichtert, daß er keinen zweiten Satz spielen konnte, weil er eine Verabredung hatte. Sie machte eine Notiz für Janet, mit der Bitte, ihr sofort ein Turngerät zu besorgen.
Beim Nachtessen teilte ihr Richard mit, daß er beabsichtige, ein Baron-Hotel in Madrid zu errichten, und Edward hinschicken wolle, um einen geeigneten Baugrund zu finden.
»Warum Edward?«
»Er hat Lust dazu. Wie du weißt, arbeitet er jetzt die ganze Zeit für die Baron-Gruppe und hat sogar eine Wohnung in New York gemietet.«
»Und was ist mit seiner Anwaltpraxis?«
»Er wurde Konsulent der Firma und meint, wenn du mit vierzig Jahren eine neue Karriere begonnen hast, so kann er das auch. Zu beweisen, daß du einen Sitz im Kongreß verdienst, ist jetzt, nach Bürgermeister Daleys Tod, keine echte Aufgabe mehr für ihn. Ich muß sagen, er ist wie ein Schuljunge, den man in einer Konditorei eingeschlossen hat; er nimmt mir enorm viel Arbeit ab und ist der einzige mir bekannte Mensch, der ebenso hart arbeitet wie du.«
»Er ist wirklich ein guter Freund geworden.«
»Ja, und du weißt natürlich, daß er in dich verliebt ist?«
»Was?« fragte Florentyna.
»Damit will ich nicht sagen, daß er mit dir schlafen will, obwohl ich es ihm nicht verübeln könnte. Nein, er liebt dich einfach, auch wenn er das nie zugeben würde. Aber es merkt ein Blinder.«
»Ich wußte nie -«
»Natürlich nicht, Liebling. Glaubst du, ich hätte ihn in den Aufsichtsrat von Lester aufgenommen, wenn ich Angst gehabt hätte, meine Frau an ihn zu verlieren?«
»Ich wollte, er fände eine Frau.«
»Solange es dich gibt, wird er nie heiraten, Jessie. Sei dankbar, daß du zwei Männer um dich hast, die dich anbeten.«
Als Florentyna nach Washington zurückkehrte, fand sie wieder einen Stoß Einladungen auf ihrem Schreibtisch vor. Sie fragte Edward um Rat, was sie damit machen solle.
»Nimm ungefähr ein halbes Dutzend Einladungen an, und zwar jene, durch die du ein Maximum an Leuten erreichst; lehne die anderen mit dem Hinweis ab, daß deine Arbeit es dir verbietet, anzunehmen. Aber vergiß nicht, jedem Brief ein paar handgeschriebene Zeilen hinzuzufügen. Eines Tages wirst du mehr Menschen erreichen wollen als nur die Wähler des Ninth District von Illinois; und es wird Leute geben, deren einziger Kontakt mit dir dieser Brief sein wird. Danach werden sie entscheiden, ob sie für oder gegen dich sind.«
»Du bist ein weiser alter Knabe, Edward.«
»Natürlich. Vergiß nicht, ich bin ein Jahr älter als du.«
Florentyna befolgte Edwards Rat und verbrachte jeden Abend zwei Stunden damit, die Briefe zu beantworten, die als Reaktion auf ihre Rede über die Landesverteidigung eingetroffen waren. Nach fünf Wochen hatte sie jedes Schreiben beantwortet, und ihre Post nahm wieder das gewohnte Ausmaß an. Sie hielt Vorträge in Princeton und an der Universität von Kalifornien; sie sprach zu den Kadetten von West Point und zu den Offizieren in Annapolis; sie nahm an einem Lunch in Washington teil, den Max Cleveland für die Vietnam-Veteranen gab. Wo immer sie hinging, wurde sie als eine der führenden Experten für Rüstungsfragen vorgestellt. Das Thema faszinierte sie, und sie vertiefte sich immer mehr in die Materie, weil es sie erschreckte, nicht genug darüber zu wissen. Irgendwie erledigte sie auch ihre Arbeit in Chicago, aber je mehr sie in der Öffentlichkeit hervortrat, desto mehr Aufgaben mußte sie delegieren. Sie nahm zwei weitere Mitarbeiter für ihr Büro in Washington und einen für Chicago auf; die Gehälter bezahlte sie aus ihrer eigenen Tasche. Sie gab jetzt pro Jahr über hunderttausend Dollar aus – eine Reinvestition in Amerika, nannte es Richard.
29
»Etwas Dringendes?« fragte Florentyna und blickte auf den Schreibtisch, auf dem sich die eingelangte Post häufte.
Der 95. Kongreß ging zu Ende, und wieder einmal waren die meisten Abgeordneten mehr mit ihrer Wiederwahl beschäftigt als mit ihrer Arbeit in Washington. Zu diesem Zeitpunkt der Legislaturperiode konzentrierte man sich auf die Wählerschaft und nicht auf nationale Probleme.
Florentyna mißfiel das System, das aus üblicherweise ehrlichen Menschen Heuchler machte, sobald die Wahlen näherrückten.
»Es gibt drei Punkte, auf die ich dich aufmerksam machen möchte«,
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