Archer, Jeffrey
aufgefordert, in ihren Staaten zu sprechen, daß sie ebenso beschäftigt war wie früher; die einzige Aufforderung, die sie ablehnte, war Tennessee. Sie erklärte, nicht gegen Bob Buchanan auftreten zu wollen, der zum letztenmal für eine Wiederwahl kandidierte.
Die kleine weiße Karte, die sie jeden Abend von Janet bekam, war immer voll mit Verabredungen von morgens bis abends:
7.45: Frühstück mit einem zu Besuch weilenden Verteidigungsminister. 9.00: Besprechung mit den Mitarbeitern. 9.30: Sitzung des Verteidigungsausschusses.
11.30: Interview mit Chicago Tribune. 12.30: Lunch mit sechs Senatoren, um das Verteidigungsbudget zu besprechen. 2.00: Wöchentliche Radiosendung. 2.30: Foto auf der Treppe des Capitols. 3.15: Stabsbesprechung über Vorlage betreffend Gewerbetreibende. 5.30: Kurzes Erscheinen beim Empfang der Bauunternehmer. 7.00: Cocktailparty in der französischen Botschaft. 8.00: Dinner mit Donald Graham von der Washington Post. 11.00: Richard im Denver Baron anrufen.
Als Senatorin konnte Florentyna ihre Reisen nach Illinois auf gelegentliche Wochenendbesuche beschränken. Für gewöhnlich flog sie am Freitag nach Providence, wo sie Richard traf, der aus New York kam. Gemeinsam fuhren sie zum Cape und erzählten einander, was sie während der Woche erlebt hatten.
Die beiden verbrachten alle freien Wochenende auf Cape Cod, das jetzt ihr gemeinsames Heim war, da Richard nach dem Tod seiner Mutter das Red House William und Joanna überlassen hatte.
Samstag vormittag ruhten sie sich aus und lasen Zeitungen und Magazine. Manchmal spielte Richard Cello, während Florentyna die Papiere durchsah, die sie aus Washington mitgebracht hatte. Bei schönem Wetter spielten sie nachmittags Golf, und abends spielten sie immer Backgammon. Es endete stets damit, daß Florentyna ein paar hundert Dollar an Richard verlor, die er, wie er sagte, der republikanischen Partei zukommen lassen werde, vorausgesetzt, daß sie je ihre Spielschulden zahle.
Florentyna fand es sinnlos, die Republikaner in Massachusetts zu unterstützen, Richard aber wies darauf hin, daß er auch einen republikanischen Gouverneur und einen Senator in New York unterstütze.
Als gute Patriotin brachte Joanna an Washingtons Geburtstag einen Sohn zur Welt, der Richard getauft wurde. Plötzlich war Florentyna Großmutter.
Das Magazin People nannte sie nicht mehr die elegante-ste Frau von Washington, sondern die bestaussehendste Großmutter Amerikas. Das löste eine Flut von Protestbrie-fen mit Hundert Fotografien anderer hübscher Großmütter aus und machte Florentyna nur noch populärer.
Die Gerüchte, Florentyna werde 1988 eine vielverspre-chende Anwärterin für das Amt des Vizepräsidenten sein, begannen im Juli zu kursieren, als der Verband der Gewerbetreibenden in Illinois sie zur »Bürgerin des Jahres« ernannte und Newsweek sie zur »Frau des Jahres«
wählte. Wann immer sie über das Thema befragt wurde, wies Florentyna darauf hin, daß sie kaum ein Jahr im Senat sei und es als ihre vordringlichste Pflicht ansehe, ihren Staat im Kongreß zu vertreten; doch entging es ihr nicht, daß sie öfter und öfter zu Gesprächen mit dem Präsidenten ins Weiße Haus geladen wurde. Zum erstenmal war es ein Vorteil für sie, die einzige Frau in der Mehrheitspartei zu sein.
Florentyna erfuhr von Bob Buchanans Tod, als sie fragte, warum die Fahne des Russell Building auf halbmast wehe.
Das Begräbnis fand an einem Mittwoch statt, an dem sie eine Abänderung des Public Health Service Act im Senat beantragen und eine Rede im Woodrow Wilson International Centre halten wollte. Sie sagte den ersten Programmpunkt ab, verschob den zweiten und flog nach Nashville in Tennessee.
Beide Senatoren und die übrigen sieben Kongreßabgeordneten von Tennessee waren anwesend. Schweigend stand Florentyna neben ihren Kollegen. Als sie sich in die Kapelle begaben, sagte ihr einer von ihnen, daß Bob Vater von fünf Söhnen und einer Tochter gewesen sei. Gerald, der jüngste, sei in Vietnam gefallen. Florentyna dankte Gott, daß Richard zu alt und William zu jung gewesen waren, in diesen sinnlosen Krieg zu ziehen.
Steven, der älteste Sohn, führte die Familie in die Kapelle. Er war hochgewachsen und schlank und hatte ein offenes, freundliches Gesicht.
Als sich Florentyna mit ihm nach dem Gottesdienst unterhielt, zeigte er den gleichen Charme und die gleiche Offenheit, die sie an seinem Vater so geschätzt hatte. Als sie erfuhr, daß Steven sich bei den
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