Archer, Jeffrey
Richard, der den Titel so aussprach, als wäre er ein Schimpfwort. »Vielleicht bildest du dir ein, einen höheren Rang zu haben, dein Gehalt aber haben sie jedenfalls nicht erhöht. Ich kann es nicht erwarten, bis du Präsidentin wirst, dann wirst du wenigstens endlich so viel verdienen wie ein Vizepräsident der Bank.«
Florentynas Gehalt war zwar nicht gestiegen, wohl aber hatten sich ihre Ausgaben erhöht, vor allem, weil sie sich wieder mit einem Team umgab, um das sie viele Senatoren beneideten. Sie wußte um den Wert einer soliden finanziellen Basis. Die meisten von ihren früheren Mitarbeitern kamen wieder, und zu ihnen gesellten sich neue, die an Florentynas Zukunft glaubten. Das Büro im Russell Building war in Suite 440; in den anderen vier Räumen saßen vierzehn Mitarbeiter, angeführt von der unverwüstlichen Janet Brown, die – das wußte Florentyna seit langem – mit ihrem Job verheiratet war. Überdies hatte Florentyna jetzt in Illinois vier Büros mit je drei Angestellten.
Von ihrem neuen Büro aus sah man auf den Hof mit dem Springbrunnen und auf den Parkplatz. Bei warmem Wetter verbrachten die Senatsangestellten die Mittagspause auf dem grünen Rasen, im Winter wurden sie von Scharen von Eichhörnchen abgelöst.
Florentyna sagte Richard, sie werde schätzungsweise mehr als zweihunderttausend Dollar pro Jahr aus ihrer eigenen Tasche zahlen müssen. Ihr Gehalt als Senatorin richte sich nach dem Staat, den sie vertrete, und nach dessen Bevölkerung, erklärte sie ihrem Mann. Richard lächelte und nahm sich vor, genau die gleiche Summe der republikanischen Partei zu spenden.
Kaum prangte das Siegel des Staates Illinois an ihrer Bürotür, als Florentyna ein Telegramm erhielt. Es war kurz: »Winifred Tredgold ist Donnerstag um elf Uhr verschieden.«
Zum erstenmal hörte Florentyna Miss Tredgolds Vornamen. Sie sah auf die Uhr, führte zwei Überseegespräche, und sagte Janet, wo sie die nächsten achtundvierzig Stunden verbringen würde. Um ein Uhr saß sie in der Concorde, und drei Stunden und fünfundzwanzig Minuten später, um 19 Uhr 25, kam sie in London an. Der von ihr bestellte Wagen mit Fahrer erwartete sie und brachte sie nach Wiltshire. Sie stieg im Lansdowne Arms Hotel ab. Bevor sie das Licht löschte, rief sie Richard an.
»Wo bist du?« waren seine ersten Worte.
»In einem kleinen Hotel in Wiltshire.«
»Und warum? Macht der Senat eine Studie über englische Pubs?«
»Nein, Liebes. Miss Tredgold ist gestorben, und ich wohne morgen dem Begräbnis bei.«
»Das tut mir leid«, sagte Richard, »ich hätte dich begleitet, wenn ich das gewußt hätte. Dieser Dame haben wir beide viel zu verdanken.«
Florentyna lächelte. »Wann kommst du nach Hause?«
»Morgen mit der Abend-Concorde.«
»Schlaf gut, Jessie. Ich werde an dich denken – und an Miss Tredgold.«
Am nächsten Morgen um halb zehn brachte ein Stuben-mädchen das Frühstück: einen Teller Bücklinge, Toast, Cooper’s Orangenmarmelade, Kaffee und die Londoner Times. Florentyna frühstückte im Bett und genoß jede Minute; es war ein Luxus, den sie sich in Washington nie gegönnt hätte. Um halb elf hatte sie die Times gelesen und festgestellt, daß die Briten mit Arbeitslosigkeit und Inflation die gleichen Probleme hatten wie Amerika. Sie zog ein einfaches schwarzes Kleid an und trug als einzigen Schmuck die kleine Uhr, die ihr Miss Tredgold zu ihrem dreizehnten Geburtstag geschenkt hatte. Der Portier behauptete, die Kirche sei kaum mehr als einen Kilometer entfernt, und da das Wetter schön war, beschloß Florentyna, zu Fuß zu gehen. Was der Portier nicht erwähnt hatte, war, daß der Weg ständig bergauf führte. Florentyna überlegte, wie wenig körperliche Bewegung sie, trotz des Turngerätes in ihrem Sommerhaus auf Cape Cod, in letzter Zeit gemacht hatte; die Jogging-Manie war spurlos an ihr vorübergegangen.
Die kleine, von Eichen und Ulmen umgebene romani-sche Kirche lag auf einem Hügel. Auf einer Tafel neben dem Eingang wurde um fünfundzwanzigtausend Pfund zur Rettung des Kirchendachs gebeten; man hatte schon mehr als tausend Pfund gesammelt. Zu ihrer Überraschung wurde Florentyna in der Sakristei vom Küster empfangen und zu einem Platz in der ersten Reihe geführt; neben ihr saß eine gebieterisch aussehende Dame, dir nur die Schuldirektorin sein konnte.
Die Kirche war voller, als Florentyna es erwartet hatte, den Chor stellten die Schüler. Der Gottesdienst war einfach, und die Predigt des Priesters
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