Archer, Jeffrey
bevorstehenden Wahlen um den Sitz seines Vaters bewerben werde, war Florentyna entzückt.
»Dann habe ich wieder jemanden, mit dem ich streiten kann«, sagte sie lächelnd.
»Er hat Sie sehr bewundert«, erwiderte Steven.
Florentyna hatte nicht erwartet, am nächsten Morgen ihr Bild in allen führenden Zeitungen des Landes zu sehen.
Man bezeichnete sie als großherzige Frau, und im Leitartikel der New York Times, den Janet ausgeschnitten hatte, hieß es: »Abgeordneter Buchanan war den Bürgern von New York nicht gut bekannt, doch spricht es für seine Leistungen im Kongreß, daß Senatorin Kane nach Tennessee flog, um seinem Begräbnis beizuwohnen. Es war eine jener Gesten, die heutzutage selten sind, und ist mit ein Grund, warum Senatorin Kane zu den am meisten geachteten Kongreßmitgliedern gehört.«
Sehr bald gehörte Florentyna auch zu den begehrtesten Persönlichkeiten im politischen Leben von Washington.
Selbst der Präsident mußte zugeben, daß ihr Terminkalender fast ebenso ausgelastet war wie der seine. Unter den vielen Einladungen aber gab es eine, die sie mit großem Stolz annahm: Harvard lud sie ein, sich im Frühling für die Aufnahme in das Direktorenkollegium zu bewerben und die Ansprache bei der Feier am Graduation Day zu halten. Sogar Richard war bereit, sich diesen Tag freizu-nehmen.
Florentyna las nach, wem diese Ehre schon zuteil geworden war – unter anderem George Marshall, der bei diesem Anlaß seinen Plan zum Wiederaufbau Europas skizzierte und Alexander Solschenizyn, der den Westen der Dekadenz und des Mangels an Wertvorstellungen bezichtigte.
Florentyna verbrachte viele Stunden damit, ihre Rede aufzusetzen; sie wußte, daß sie von allen Massenmedien wahrgenommen werden würde. Täglich übte sie ihren Vortrag vor dem Spiegel, im Bad, selbst mit Richard auf dem Golfplatz. Sie schrieb den gesamten Text allein, flocht jedoch viele von Janets, Richards und Edwards Vorschlägen ein.
Am Tag vor der Rede erhielt Florentyna einen Anruf von Sotheby. Sie hörte zu, was der Abteilungsleiter zu sagen hatte, und gab ihre Einwilligung. Sie einigten sich auf einen Höchstpreis, und der Mann von Sotheby versprach, sie gleich nach der Auktion zu verständigen. Florentyna fand, der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können.
Am Abend flog sie nach Boston und wurde am Flughafen von einem enthusiastischen Studenten abgeholt, der sie nach Cambridge fuhr und zum Faculty Club brachte. Im Foyer wurde sie von Rektor Bok begrüßt, der ihr zu ihrer Wahl gratulierte und sie den anderen Direktoren vorstellte: unter den dreißig waren zwei Nobelpreisträger, einer für Literatur, der andere für Naturwissenschaften; zwei ehemalige Minister, ein General, ein Richter, ein Ölmagnat und zwei Universitätsrektoren. Florentyna stellte amüsiert fest, wie überaus höflich man hier war, verglichen mit dem Ton, der in einem Kongreßausschuß herrschte.
Das Gästezimmer, in dem man sie unterbrachte, erinnerte sie an ihre Studententage; sie mußte Richard vom Korridor aus anrufen. Er war in Albany und schlug sich mit Steuerproblemen herum, die Jack Kemp, der neue republikanische Gouverneur des Staates New York, aufs Tapet gebracht hatte.
»Zu Mittag bin ich bei dir«, versprach er. »Übrigens wurde deine morgige Rede bereits vom Fernsehen angekündigt. Sieh zu, daß sie gut wird, sonst sehe ich mir das Baseballspiel auf Kanal Elf an.«
»Sehen Sie lieber zu, daß Sie pünktlich hier sind, Mr.
Kane.«
»Und Sie sollten sich bemühen, eine ebenso gute Rede zu halten wie anläßlich des Veteranentreffens, denn ich komme von weit her, um Sie zu hören, Senatorin.«
»Wie konnte ich mich je in Sie verlieben, Mr. Kane?«
»Soweit ich mich erinnere, stand das Jahr unter dem Motto ›Adoptiere einen Einwanderer‹, und wir Bostoner taten natürlich unsere Bürgerpflicht.«
»Wieso ging es dann im nächsten Jahr weiter?«
»Ich hielt es für meine Pflicht, den Rest meines Lebens mit Ihnen zu verbringen.«
»Es war ein kluger Entschluß, Mr. Kane.«
»Ich wollte, ich wäre bei dir, Jessie.«
»Nicht, wenn du mein Zimmer sehen könntest. Ich habe ein schmales Bett, also müßtest du auf dem Fußboden übernachten. Bitte sei morgen pünktlich, ich möchte, daß du meine Rede hörst.«
»Bestimmt. Doch ich muß sagen, du brauchst sehr lange, um mich zu einem Demokraten zu machen.«
»Ich werde es morgen wieder versuchen. Gute Nacht, Mr. Kane.«
Am nächsten Morgen wurde Richard im Albany Hotel vom
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