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Archer, Jeffrey

Archer, Jeffrey

Titel: Archer, Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abels Tochter
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er fest, daß das Richmond Continental ziemlich vernachlässigt war, und er brauchte nicht lang, um die Ursache festzustellen. Der Direktor, Desmond Pacey, fälschte die Bücher, und soweit Abel sehen konnte, hatte er das schon seit dreißig Jahren getan. Der neue Direktor-Stellvertreter verbrachte das erste halbe Jahr damit, die nötigen Beweise zu sammeln, um Pacey festzunageln. Dann präsentierte er seinem Arbeitgeber ein Dossier mit allen Fakten. Als Davis Leroy erfuhr, was hinter seinem Rücken vorgegangen war, wurde Pacey gefeuert, und Abel bekam dessen Platz. Das spornte Abel noch mehr an, und er glaubte so fest daran, die Richmond-Kette wieder auf die Beine bringen zu können, daß er, als Leroys alternde Schwester ihre fünfundzwanzig Prozent der Gesellschaftsaktien zum Verkauf anbot, alles flüssig machte, was er besaß, um diese Aktien zu erwerben. Davis Leroy war gerührt über das Vertrauen, das sein Direktor in die Hotels setzte, und machte ihn zum Direktor der ganzen Kette.
    Von diesem Moment an waren sie Partner, und aus der geschäftlichen Beziehung wurde bald enge Freundschaft.
    Abel wußte nur zu gut, wie schwer es einem Texaner fiel, einen Polen als seinesgleichen anzuerkennen. Zum erstenmal, seit er nach Amerika gekommen war, fühlte er sich sicher – bis er herausfand, daß die Texaner ein mindestens ebenso stolzer Clan sind wie die Polen.
    Abel konnte sich auch heute noch nicht mit dem abfinden, was damals geschehen war. Wenn Davis ihm nur die finanziellen Nöte der Gesellschaft anvertraut hätte
    – wer geriet während der schweren Depressionen nicht in Schwierigkeiten? Zu zweit hätten sie bestimmt eine Lösung gefunden. Mit zweiundsechzig Jahren mußte Davis Leroy von seiner Bank erfahren, daß seine Hotels nicht mehr ausreichten, um die Kette abzudecken, und sie weitere Sicherheiten brauchte, bevor sie bereit wäre, die nächsten Monatsgehälter auszuzahlen. Davis Leroy aß in Gesellschaft seiner Tochter zu Abend; danach zog er sich mit zwei Flaschen Whisky in die Präsidentensuite im 7.
    Stock seines Hotels zurück, öffnete ein Fenster und sprang hinunter. Abel würde nie vergessen, wie er um vier Uhr morgens an der Ecke der Michigan Avenue stand, um die Leiche zu identifizieren, die er nur an der karierten Jacke erkannte. Ein Polizist stellte fest, daß das an diesem Tag bereits der siebente Selbstmord in Chicago gewesen sei.

    Es war kein Trost. Wie konnte der Polizist ahnen, wieviel Davis Leroy für Abel getan hatte und wie sehr dieser gehofft hatte, es ihm einmal abgelten zu können? In einem hastig geschriebenen Letzten Willen hatte Davis die restlichen fünfundsiebzig Prozent der Richmond-Gruppe seinem Direktor hinterlassen. Obwohl ihm klar gewesen war, daß die Anteile im Augenblick wertlos waren, hatte er gemeint, Abel könne vielleicht als alleiniger Besitzer der Hotels zu einem neuen Übereinkommen mit der Bank gelangen.
    Florentyna schlug die Augen auf und schrie. Liebevoll nahm Abel sie auf und bereute es sofort, als er die Feuchtigkeit spürte. Rasch entfernte er die Windel und trocknete das Kind gut ab, bevor er die neue Windel sorgsam zu einem Dreieck faltete und die großen Sicherheitsnadeln weit von dem kleinen Körper entfernt anbrachte; jede Amme hätte ihm große Geschicklichkeit attestiert. Florentyna schloß die Augen und schlummerte an seiner Schulter friedlich ein. »Undankbares Geschöpf«, murmelte er zärtlich und küßte sie auf die Wange.
    Nach Davis Leroys Begräbnis war Abel zu Kane und Cabot gegangen, der Bostoner Bank der Richmond-Gruppe, und hatte einen der Direktoren beschworen, die elf Hotels nicht zu verkaufen. Er versuchte die Bank davon zu überzeugen, daß er mit ihrer Unterstützung und der nötigen Zeit die Hotels wieder zu gewinnbringenden Unternehmen machen könnte. Der kühle höfliche Bankier hinter dem großen Schreibtisch erwies sich als unbeeinflußbar. »Ich muß im Interesse der Bank handeln«, hatte er entschuldigend gesagt. Abel verwand die Erniedrigung, einen Mann seines Alters »Sir« nennen zu müssen und trotzdem mit leeren Händen wegzugehen, nie.
    Der Mann hatte offensichtlich die Seele einer Registrierkasse, er dachte nicht daran, wie viele Leute durch seine Entscheidung brotlos wurden. Abel gelobte sich zum hundertsten Mal, daß er es Mr. William Kane eines Tages heimzahlen würde.
    An diesem Abend war Abel mit dem Gefühl nach Chicago zurückgefahren, in seinem Leben könne nichts Ärgeres mehr geschehen – um festzustellen,

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