Archer, Jeffrey
vorgeht und warnte sie vor den Folgen eines unüberlegten Abenteuers. Schweigend hörte Florentyna zu. Dann fragte sie: »Und warum macht man dann soviel Getue darum?«
»Die moderne Gesellschaft und die lockeren Sitten machen es den Mädchen nicht leicht. Aber vergiß nicht: Jeder von uns kann entscheiden, wie er vor den anderen dastehen will und – das ist noch wichtiger – vor sich selbst.«
»Natürlich wußte sie alles«, sagte Florentyna am nächsten Tag zu Susie.
»Heißt das, daß du Jungfrau bleiben wirst?«
»Ja, sicher. Miss Tredgold ist auch noch Jungfrau.«
»Aber was heißt das, ›vorsichtig sein‹?« wollte Susie wissen.
»Man muß nicht vorsichtig sein, wenn man Jungfrau bleibt«, gab Florentyna ihre neuerworbenen Kenntnisse weiter.
Die Firmung war das einzige andere wichtige Ereignis in diesem Jahr. Obwohl Florentyna von einem jungen Priester unterrichtet wurde, verdrängte Miss Tredgold energisch die Lehren der Church of England, studierte die römischkatholische Firmung und erklärte Florentyna die Bedeutung der Zeremonie. Der römischkatholische Erzbischof von Chicago nahm die Firmung vor, und sowohl Abel als auch Zaphia waren anwesend, allerdings saßen sie weit voneinander entfernt.
Florentyna trug ein weißes, hochgeschlossenes Kleid, das die Knie bedeckte. Sie hatte es selbst genäht, Miss Tredgold hatte nur ein bißchen nachgeholfen, während sie geschlafen hatte. Länger als eine Stunde hatte sie Florentynas langes dunkles Haar gebürstet und ihr sogar erlaubt, es offen zu tragen; es fiel ihr bis auf die Schultern.
Obwohl Florentyna erst dreizehn war, sah sie hinreißend aus.
»Mein Patenkind ist schön«, sagte George, der neben Abel in der Kirche stand.
»Ich weiß.«
»Nein, ich meine es ernst. Sehr bald werden unzählige Freier an der Schloßtür des Barons klopfen und die Hand seiner einzigen Tochter erbitten.«
»Es ist mir egal, wen sie heiratet, wenn sie nur glücklich wird.«
Nach der Firmung wurde in Abels Privatwohnung im Baron gefeiert. Florentyna erhielt Geschenke von der Familie und Freunden und von Miss Tredgold eine schöne, in Leder gebundene Bibel. Das Geschenk, das sie am meisten entzückte, aber war jener antike Ring, den Florentyna bei ihrer Taufe von dem Mann erhalten hatte, der Vertrauen zu ihrem Vater gezeigt und die Baron-Gruppe finanziert hatte.
»Ich muß ihm schreiben und mich bedanken«, sagte sie.
»Das geht nicht, mein Schatz, ich weiß nicht genau, wer er ist. Meinen Teil der Abmachung habe ich schon längst erfüllt, und so werde ich vielleicht nie seine Identität erfahren.«
Sie zog den Ring über den dritten Finger der linken Hand, und während des ganzen Abends kehrten ihre Blicke wieder und wieder zu den funkelnden kleinen Smaragden zurück.
8
»Wie werden Sie bei den Präsidentschaftswahlen wählen, Madam?« fragte ein flott gekleideter junger Mann.
»Ich werde nicht wählen«, Miss Tredgold ging weiter.
»Soll ich schreiben, ›unentschieden‹?« fragte der Mann und lief ihr nach.
»Keineswegs. Das habe ich nicht gesagt.«
»Verstehe ich Sie richtig, daß Sie nicht sagen wollen, wem Ihre Sympathie gehört?«
»Ich sage gern, wem meine Sympathien gehören, da ich aber aus England komme, werden sie weder Truman noch Dewey nützen.«
Der Interviewer zog sich zurück, Florentyna aber beobachtete ihn genau. Sie hatte gelesen, daß die Resultate dieser Umfragen jetzt von allen Politikern ernstgenommen wurden.
Man schrieb 1958, und Amerika stand mitten im Wahlkampf. Florentyna war immer noch eine loyale Demokratin, obwohl sie nach zwei so unpopulären Jahren wenig Chancen für Truman sah. Der republikanische Kandidat Thomas E. Dewey führte nach der letzten Gallup-Umfrage mit mehr als acht Prozent und schien den Sieg in der Tasche zu haben.
Florentyna verfolgte beide Wahlfeldzüge mit größtem Interesse und war beglückt, als eine Frau republikanische Senatskandidatin. für Maine wurde. Zum erstenmal konnten die Amerikaner die Wahl auf dem Fernsehschirm verfolgen; einen Monat vor seinem Auszug hatte auch Abel einen Apparat gekauft. Allerdings durfte Florentyna während der Schulzeit nur eine Stunde pro Tag vor »der neumodischen Maschine« sitzen, wie Miss Tredgold sie nannte. »Nie kann sie das geschriebene Wort ersetzen«, erklärte sie mit Nachdruck, »und ich bin der gleichen Meinung wie Professor Ch. L. Dawes, daß zu viele spontane Entscheidungen vor den Kameras getroffen werden, die man später vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher