Archer, Jeffrey
dich zum erstenmal sah, wußte ich, daß du etwas Besonderes bist. Ich finde, du spielst wunderbar Klavier. Hast du Lust, mich zu besuchen und ein paar Platten anzuhören?
Herzliche Grüße Florentyna (Rosnovski) Florentyna wartete auf die Pause, dann schlich sie durch den Korridor und glaubte aller Blicke auf sich zu spüren, als sie Petes Spind suchte. Nummer 42 – das mußte ein gutes Omen sein. Sie legte ihren Brief auf das Mathematikbuch und kehrte mit feuchten Händen wieder in die Klasse zurück.
Nach jeder Stunde suchte sie in ihrem eigenen Spind nach einer Antwort. Sie kam nicht. Eine Woche verstrich, und sie war der Verzweiflung nahe, als sie Pete, sich das Haar kämmend, auf der Treppe zur Kapelle sitzen sah.
Wie tollkühn, zwei Schulvorschriften gleichzeitig zu durchbrechen, dachte sie. Jetzt wollte sie herausfinden, ob er ihre Einladung gefunden hatte.
Ihren ganzen Mut zusammennehmend, ging sie auf ihn zu, doch als sie nur noch einen Meter entfernt war, wäre sie am liebsten in den Boden versunken. Was sollte sie ihm sagen? Wie ein Kaninchen die Schlange, starrte sie ihn wortlos an, bis er »Hi« sagte.
»Hi«, stammelte sie. »Hast du meinen Brief gefunden?«
»Deinen Brief?«
»Ja, ich hab dir letzten Montag geschrieben, ob du bei mir ein paar Platten hören willst. Ich habe ›Stille Nacht‹
und die meisten Bing Crosby-Songs. Kennst du ›White Christmas‹ von ihm?«
Das war ihre Trumpfkarte.
»Ach, du hast den Brief geschrieben.«
»Ja, letzte Woche hab ich dich gegen Francis Parker spielen gesehen. Du warst phantastisch. Gegen wen spielst du als nächstes?«
»Es steht im Schulkalender«, sagte er, steckte den Kamm ein und sah über ihre Schulter.
»Ich werde zuschauen.«
»Natürlich«, sagte er, als ein großes blondes Mädchen aus einer höheren Klasse auf Pete zulief – Florentyna war überzeugt, daß ihre weißen Socken nicht zur offiziellen Schuluniform gehörten – und fragte, ob er lang gewartet habe.
»Nein, nur ein paar Minuten.«
Pete nahm sie um die Taille, dann drehte er sich zu Florentyna um: »Es tut mir leid, aber du mußt warten; vielleicht kommst du auch noch an die Reihe.«
Er lachte. »Crosby ist jedenfalls langweilig. Mein Typ ist Bix Beiderbecke.«
Als die beiden weggingen, hörte Florentyna ihn sagen:
»Das war das Mädchen, das mir den Brief geschickt hat.«
Das blonde Mädchen drehte sich lachend nach ihr um.
»Wahrscheinlich ist sie noch Jungfrau«, fügte Pete hinzu.
Florentyna ging in die Mädchengarderobe und versteckte sich, bis alle nach Hause gegangen waren. Bestimmt würde man sie auslachen, sobald sich die Geschichte herumgesprochen hatte. In der Nacht konnte sie nicht schlafen, und am nächsten Morgen studierte sie die Gesichter ihrer Kameradinnen; keine anzüglichen Blicke, kein Gekicher. Sie mußte Susie ins Vertrauen ziehen, um festzustellen, ob sich ihre Niederlage herumgesprochen hatte. Als Florentyna geendet hatte, fing Susie zu lachen an.
»Nicht auch du«, sagte sie.
Florentyna fühlte sich wesentlich besser, als sie erfuhr, wie viele ihr Schicksal teilten. Sie faßte Mut und fragte, ob sie wisse, was eine Jungfrau sei.
»Ich bin nicht sicher. Warum fragst du?«
»Weil Pete meinte, ich sei wahrscheinlich eine.«
»Dann bin ich vermutlich auch eine. Ich habe einmal gehört es hat damit zu tun, daß man mit einem Jungen schläft und neun Monate später ein Baby bekommt. So wie es Miss Horton von den Elefanten erzählte, aber die brauchen zwei Jahre.«
»Was man wohl dabei fühlt?«
»In den Zeitschriften, die Mary Alice in ihrem Schrank eingeschlossen hat, wird behauptet, es sei traumhaft.«
»Kennst du jemanden, der es versucht hat?«
»Margie McCormick behauptet es.«
»Die behauptet viel, und wenn es wahr ist, warum hat sie dann kein Baby?«
»Sie war ›vorsichtig‹, was immer das heißen mag.«
»Wenn es ähnlich ist wie die Periode, dann ist es nicht der Mühe wert.«
»Stimmt«, pflichtete Susie bei. »Ich hab meine gestern bekommen. Glaubst du, Männer haben die gleichen Probleme?«
»Keine Spur«, sagte Florentyna, »sie haben es immer und überall einfacher. Offenbar bekommen wir die Periode und die Babys, sie müssen sich rasieren und zum Militär, aber ich werde noch Miss Tredgold fragen.«
»Ob sie das weiß?«
»Miss Tredgold«, erwiderte Florentyna bestimmt, »weiß alles.«
Am Abend, als Florentyna zögernde Fragen stellte, erklärte ihr Miss Tredgold in allen Details, was bei Zeugung und Geburt
Weitere Kostenlose Bücher