Ardeen: Band 2: Neue Wege (German Edition)
beschimpft und ihnen ihre Dummheit unter die Nase gerieben.
Die Pferde waren versorgt und Eryn kehrte ins Zelt zurück. Dort fand er die Situation unverändert vor. Doch dann bemerkte er das dritte Blatt am Zweig, was sicherlich kein gutes Zeichen war. Da er nichts tun konnte, sah sich Eryn die Bücher an. Es ging um Pflanzenzauber, die dem grünen Kreis zugeordnet waren. Vom grünen Kreis wusste er so gut wie nichts und die meisten Symbole, die auf der aufgeschlagenen Seite auftauchten, sagten ihm ebenfalls rein gar nichts. Lediglich ein paar Zeichen aus der Heilmagie kamen ihm bekannt vor.
Die Zeit verstrich und Prinz Raiden standen Schweißperlen auf der Stirn. Als sich dann aber das vierte Blatt entfaltete und auch die anderen Äste schon das erste Grün zeigten, wandte sich der Prinz auf einmal ab.
„Scheiße! Ich bekomme es nicht mehr hin.“
Die Erkenntnis, dass der Prinz etwas in der Magie nicht hinbekam, war für Eryn absolut neu. Und so stand er zunächst nur mit offenem Mund da, bevor er dann angstvoll fragte.
„Mein Prinz, muss Ravenor nun sterben?“
Erst jetzt schien sein Lehrmeister überhaupt zu bemerken, dass Eryn noch da war. Er sah ihn an:
„Ich muss jemanden um Hilfe bitten, den ich nicht zu meinen besten Freunden zähle. Aber er ist der Einzige, der hier noch helfen kann. Wie konntet ihr Idioten mich nur in so eine Situation bringen?“
Da war er wieder, der unbeherrschte und aufbrausende Prinz. Also war Ravenor noch nicht verloren. Abgesehen davon, dass Eryn an der derzeitigen Lage völlig unschuldig war und die Verallgemeinerung von ‚Idioten‘ eigentlich für ihn nicht zutraf. Man konnte förmlich sehen, wie der Herr von Naganor mit sich rang, dann kam er glücklicherweise doch zu dem Schluss:
„Es hilft nichts, nur Meister Tellenor kann ihn heilen. Bete zu den Göttern, dass ich ihn erreiche.“
‚Bete zu den Göttern‘ – wenn ich das gesagt hätte... Aber Eryn hoffte dennoch inbrünstig.
Ein leerer Ausdruck zeigte sich in Meister Raidens Augen und als der Blick wieder klar wurde, sagte der Schwarze Prinz nur: „Er kommt.“
Weitere quälende Minuten verstrichen, dann sah man durch den aufgeschlagenen Zelteingang, wie das Tor zu flackern begann und ein dürrer, alter Mann in grüner Robe erschien. Schlohweißes Haar bedeckte sein Haupt und wurde mit einem einfachen Lederband um die Stirn aus dem Gesicht gehalten. Dieses unterstrich das Alter des Mannes noch. Mit seinen vielen Runzeln und tiefen Falten, die sich von der Nase weit unter die Mundwinkel zogen, sah es fast aus wie die zerfurchte Rinde eines alten Baumes. Er war dürr und nicht besonders groß. Seine Haltung war, trotz seines Alters, sehr aufrecht und er strahlte große Macht aus. Magische Macht wohlgemerkt.
Die Begrüßung war verhalten: „Ihr ruft mich um Hilfe und bittet mich nicht einmal herein, Meister Raiden!“, begann der Neuankömmling und Eryn konnte sehen, wie sich Prinz Raiden zu einer höflichen Bemerkung durchrang.
„Wie unachtsam von mir. Natürlich heiße ich Euch willkommen, Meister Tellenor, und bin froh, dass Ihr so schnell kommen konntet.“
Der alte Magier rümpfte die Nase. „So, Feenzauber. Es ist lange her, dass ich so etwas gesehen habe. Eure Kraft langt wohl nicht aus, um das zu heilen?“
Die zwei waren wahrlich keine Freunde – das sah man sofort.
„Jeder hat so seine Qualitäten. Dann kann man nur hoffen, Eure Kraft ist für diese Aufgabe ausreichend, Meister Tellenor?“
Der Angesprochene legte gerade eine Hand auf Ravenors Stirn und antwortete unbestimmt: „Mag sein.“
Eryn bemerkte einen flüchtigen Hauch und wusste sofort, dass er gerade von dem Alten gescannt worden war. Dann sprach Meister Tellenor weiter:
„Die Frage ist wohl zuerst, warum ich Euch helfen sollte? Zu dumm, dass ich mich noch an all die Unverschämtheiten erinnere, die Ihr Euch in den letzten dreißig Jahren mir gegenüber geleistet habt.“
Der Prinz begann mit seiner sanften Überredungsstimme zu sprechen:
„Meister Tellenor, Ihr werdet doch nicht so nachtragend sein. Hier geht es um das Leben eines jungen Mannes. Wollt Ihr ihn so einfach sterben lassen?“
„Och, er verliert doch nicht sein Leben, er verwandelt sich nur. Als Baum lebt er doch um so viele Jahre länger als ein Mensch. Ich weiß, es ist nicht Eure Auffassung der Dinge, aber alle Pflanzen leben!“
Eloquent versuchte der Prinz sein Möglichstes. „Aber er hat sich nicht frei dazu entschieden, ein Baum zu
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