Ardeen: Band 2: Neue Wege (German Edition)
Beulen bedeckten das Gesicht und aus der nun doppelt so großen Beule am Hals ragte ein kleiner Ast. Sah man genauer hin, so hatte sich an dem Zweig sogar ein winziges grünes Blatt entfaltet.
Mit belegter Stimme sprach Ravenor: „Ich brauche Wasser. Hier ist ein guter Ort.“
„Ravenor, komm mit!“ Und Eryn zog den anderen am Arm, doch der schüttelte ihn ab.
„Ich muss hierbleiben. Wasser nährt mich. Hier ist ein guter Ort.“
Was ist hier los? Ich brauche jemanden, der sich auskennt. Ich muss Meister Raiden fragen.
Der Herr von Naganor hatte Eryn inzwischen zwar gelehrt, wie er ihn telepathisch erreichen konnte, gleichzeitig aber deutlich zu verstehen gegeben, dass er in keinem Fall auf diese Weise gestört werden wollte. Doch das hier sah ganz eindeutig nach einem Notfall aus. Eryns Aufregung führte zunächst zum Misslingen des Zaubers. Erst, als er sich zur Ruhe zwang und sammelte, brachte er es zustande, die Magie zu wirken.
„Prinz Raiden. Hilfe. Meister. Ein Notfall. Hilfe. Bitte antwortet, mein Prinz!“
Die Verbindung war unstet und Eryn war sich nicht sicher, ob er den Prinzen tatsächlich erreichte. Immer heftiger schrie er in Gedanken, da kam endlich eine Antwort:
„Was soll das Gebrüll?“
Der Herr von Naganor stabilisierte die Verbindung und die Kommunikation war ungehindert möglich.
„Ist das Experiment schiefgelaufen, Schüler?“
„Nein, nein, ganz und gar nicht. Sogar sehr erfolgreich . “
„Und das ist ein Notfall, dass du mir das berichtest? Habe ich dir nicht gesagt, dass ich nicht auf telepathischem Weg erreicht werden möchte ?“
„Doch, natürlich, Meister Raiden. Aber es geht nicht um das Experiment. Etwas sehr Seltsames ist mit Sir Ravenor passiert. Ich weiß keinen Rat. Etwas Giftiges hat ihn infiziert und er bekommt überall Pusteln, dann läuft er ständig zu einem kleinen Teich und redet wirres Zeug. Aus den Pusteln wachsen Zweige mit Blättern und er redet davon, dass er Wasser bräuchte und zu dem Teich zurückkehren müsste.“
Schweigen.
„Mein Prinz, seid Ihr noch da?“ Als Antwort kam eine wenig prinzenhafte Formulierung :
„Scheiße, der Vollidiot. Wann hat es angefangen? Wann wurde er gebissen?“
„Gestern. Vermutlich gegen Mittag.“
„Hör gut zu, Eryn. Die Zeit ist knapp. Südlich des Waldes einen halben Tagesritt entfernt liegt das nächste Tor, du musst Ravenor so schnell wie möglich dort hinbringen. Wenn er nicht mehr mitkommen will, dann hau ihm eins über den Schädel. Ich komme zu dem Tor und warte dort auf euch. Und beeile dich. Die Lage ist ernst und ich kann ihn nur heilen, wenn ihr rechtzeitig kommt.“
„Mein Prinz...?“ , aber die Verbindung war bereits wieder unterbrochen.
Hektisch sprang Eryn hin und her und überlegte kurz, was er zuerst tun sollte. Ravenor reagierte auf nichts mehr, so entschied sich Eryn dafür, zuerst die Pferde zu holen. Er betäubte Ravenor mit einem Schlafzauber, hob ihn auf sein Pferd und band ihn fest. Wenn Prinz Raiden so eindringlich sprach, dann war es wirklich sehr ernst und deshalb ritt Eryn wie der Teufel.
Noch zwei weitere Male rief ihn der Prinz und wies ihm den Weg. Über eine grüne Wiese jagte Eryn einen kleinen Hügel hinauf. Bereits aus dieser Entfernung konnte er den riesigen Stein ausmachen, der wie ein Finger gen Himmel ragte. Das war der genannte Ort, an dem sie sich treffen sollten. Als er die Kuppe fast erreicht hatte, sah er auch den Meister des Schwarzen Turmes bereits am Fuße der Steinsäule stehen. Die schweißgebadeten Pferde waren am Ende ihrer Kräfte und atmeten heftig, als Eryn sie zum Stehen brachte. Als sie Ravenor nun vom Pferd holten, erschrak Eryn heftig, denn jetzt waren bereits kleine Zweige aus den Pusteln gewachsen und der aus dem Hals hatte schon zwei kleine grüne Blätter ausgebildet.
Am Fuße des Torsteins war ein Zelt errichtet, in das sie Ravenor nun brachten. Darin stand ein Tisch, auf dem mehrere Bücher lagen und kleine Flaschen mit verschiedenfarbigem Inhalt befanden sich dicht zusammengeschoben am Rand.
Der Herr von Naganor machte sich sofort mit ernster Miene an die Arbeit. Eryn stand unbeachtet daneben und sah sorgenvoll zu. Nachdem ihm bewusst wurde, dass er nicht helfen konnte, ging er wieder nach draußen und kümmerte sich um die Pferde. Dies brachte ihn auch kurz auf andere Gedanken. So, wie Prinz Raiden sich verhielt, stand es nicht gut um Ravenor. Wäre es halb so ernst gewesen, dann hätte er ihn als Nurin und Ravenor als Dummkopf
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