Ardeen: Band 2: Neue Wege (German Edition)
mich so schlecht? Er hasst mich und will mich absichtlich quälen!“
Aus seinem langjährigen Umgang mit dem Prinzen wusste es Eryn besser:
„Nein, die Sache liegt ganz anders. Ich werde dir mal was über die prinzlichen Verhaltensmuster erzählen, nur damit du es besser verstehst. Der Prinz möchte, dass du gut bist. Nein, nicht nur gut – herausragend. Versagen ist indiskutabel, alle Fehler werden dir um die Ohren geknallt, manchmal wortwörtlich. Wenn er nichts findet, bist du schon verdammt gut, aber das ist ja selbstverständlich, also wird er dir das nicht sagen. Ein guter Rat: Was auch immer dich verbal trifft, rede unter keinen Umständen dagegen. Denn wenn du das tust, dann eskaliert alles, und jedes Wort wird anders ausgelegt, als du es gemeint hast. Du wolltest doch immer von ihm beachtet werden. Nun, so sieht das eben aus! Das Wohlwollen deines Vaters.“
„Ich wollte, dass er mich als Sohn sieht und dass er stolz auf mich ist.“
„Oh, das ist er. Du musst zwischen den Zeilen lesen. Was sagte er da über die Nachkommen derer von Orten? Jeder von denen hätte das gewusst. Ich übersetze mal: Es kann und darf nicht sein, dass du dich dümmer anstellst als einer der Ortens, weil du sein Sohn bist. Und du schlägst ihm dann auch noch vor, einen Orten zu unterrichten. Das will er überhaupt nicht hören. Er will, dass du nicht aufgibst und dass du verdammt gut bist. Ende der Diskussion. Aber um ehrlich zu sein, du stellst dich auch selten blöd an. So bist du doch sonst nicht!“
Es war gut, ehrliche Worte zu hören: „Ich bin so verdammt nervös, wenn er mich mit seinen Fragen unter Beschuss nimmt. Innerhalb von fünf Minuten kann ich keinen klaren Gedanken mehr fassen. In keiner anderen Situation passiert mir Ähnliches, und sei es das schlimmste Kampfgetümmel. Eryn, kannst du mir nicht mit einem Zauber helfen, nur, damit ich die Nerven behalte?“
Der überlegte kurz. „Ich glaube, ich kann dir helfen. Es gibt da etwas... wenn du einen Ring hast, dann bezaubere ich ihn für dich.“
Ravenor ging zu seinem Schrank und holte aus einer Schatulle einen kleinen Ring hervor.
„Hab ich mal erworben, für eine Dame, aber die Gelegenheit kam nie, ihr diesen zu geben. Ich kann ihn am kleinen Finger tragen.“
Der Ring sah ganz hübsch aus. Er war graviert wie geflochten und würde für Eryns Zwecke vollauf genügen. Im Grunde genommen hatte er geblufft, denn er kannte keinen Zauber, der beruhigte, ohne zu betäuben. Und Betäuben war sicherlich nicht das Richtige, wenn es darum ging, einen scharfen Verstand zu behalten. Andererseits, wenn Ravenor daran glaubte, dann mochte es ihm vielleicht auch helfen. Was Eryn aber konnte, war den Ring mit einem Heilzauber zu belegen und genau das tat er dann auch.
„Hier, fertig. Der Ring wird dir innere Ruhe geben und du kannst damit sogar kleine Wunden heilen, dazu musst du mit dem Ring nur über die Wunde streichen.“
Da zeigte sich sogar wieder ein Lächeln in Ravenors Gesicht.
„Danke, kannst du mir noch einen Zauber wirken, damit ich mir das alles schneller merke?“
Hier schüttelte Eryn den Kopf: „Tut mir leid, den könnte ich selbst gebrauchen. Da hilft nur, sich auf den Arsch zu setzen und zu lernen. Hast du mir nicht mal gesagt, Bücher lesen sei Drückebergerei?“
„Warum sind alle nur so nachtragend?“
Eryn grinste. „Bin ich gar nicht, wollte es nur noch mal erwähnen. Und da du dich ja nun beruhigt hast, kann ich dir auch erzählen, warum ich eigentlich gekommen bin. Der Prinz denkt über einen Wettkampf nach, bei dem die einzelnen Zugführer ihre taktischen Fähigkeiten unter Beweis stellen sollen. Ich glaube, es ging dabei um die V. Kompanie. Überflüssig zu erwähnen, dass er erwartet, dass du gewinnst.“
Ravenors Augen weiteten sich erneut voller Schrecken. Eryn klopfte ihm beruhigend auf den Arm.
„Keine Sorge, du hast noch vier bis fünf Wochen Zeit. Ich würde dir nahelegen, intensiv zu lernen. Und nun will ich dich nicht länger aufhalten. Du hast reichlich zu tun und ich bin eigentlich nur kurz hier herübergekommen, um etwas von Meister Eriwen abzuholen. Du weißt, wie der Prinz das Warten hasst – wohlgemerkt, das Warten auf andere Leute – andersherum ist es ja eher die Regel.“
Die Zeit verrann wie im Fluge und dann rückte die Stunde der nächsten gefürchteten Lektion immer näher. Ravenor hatte gerade den Dienst hinter sich gebracht und betrat seine Stube. Dort stand die Weinflasche immer noch unbeachtet
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