Aretha Franklin - Queen of Soul
Blues zu singen.
KAPITEL DREI
ARETHA SINGT
DEN BLUES
Nachdem sie die Highschool während ihrer ersten Schwangerschaft abgebrochen hatte, verbrachte Aretha viel Zeit zu Hause, wo sie Musik hörte und Klavier spielte. Langsam dehnte sie, die ja in der Welt der Gospelmusik aufgewachsen war, ihren musikalischen Horizont aus. Dabei interessierte sie nicht nur der populäre Rhythm & Blues, den sie im Radio hörte, sondern auch der melancholische Blues mit seinen tiefen Gefühle. Mahalia Jackson hat es einmal so ausgedrückt: »Jeder, der den Blues singt, steckt in einem tiefen Loch und schreit um Hilfe.« Auf Aretha traf dies auf jeden Fall zu.
Ganz besonders fasziniert war Aretha von der Bluessängerin Dinah Washington. Zwischen beiden Künstlerinnen gibt es viele Parallelen: Washington wurde unter dem Namen Ruth Jones in Tuscaloosa, Alabama geboren. Mitte der 1930er-Jahre zog ihre Familie in den Norden nach Chicago, wo sie als Teenager in einer Baptistenkirche Klavier spielte. Und wie Aretha hatte sie sich schon mit 15 einen gewissen Ruf als Sängerin erworben, da sie mehrere Talentwettbewerbe gewonnen hatte. Mit 18 änderte sie ihren Namen in Dinah Washington und begann ihren musikalischen Siegeszug. 1943 – 45 trat sie als Solosängerin mit Lionel Hamptons Band auf und wurde landesweit bekannt. Danach startete sie ihre Solokarriere als Jazzsängerin. 1949 nahm Mercury Records sie unter Vertrag, wo sie ihre größten Erfolge feiern sollte. In den Jahren 1949 bis 1958 wurde sie neben Bessie Smith, Billie Holiday, Sarah Vaughan und Ella Fitzgerald zu einer der beliebtesten Blues- und Jazzsängerinnen aller Zeiten. Hits aus dieser Ära waren unter anderem »Long John Blues« (1949), »I Wanna Be Loved« (1950), »Cold, Cold Heart« (1951), »Wheel of Fortune« (1952), »Trouble in Mind« (1952) und »Make Me a Present of You« (1958).
Zusammen mit Benny Goodman, Joe Turner, Mahalia Jackson, Thelonious Monk und George Shearing gehörte Washington im Juli 1958 zu den Headlinern beim renommierten Newport Jazz Festival. Obwohl sie als Jazzsängerin viele Fans hatte, wollte Mercury Records sie eher für ein breiteres Publikum vermarkten und stellte ihr zu diesem Zweck den neuen A & R-Director Clyde Otis an die Seite, der ihr Produzent wurde – und später auch der von Aretha.
Zuerst war Washington nicht begeistert von den Songs, die Otis für sie ausgesucht hatte, und dem Stil, in dem sie sie singen sollte. Doch schließlich fügte sie sich und aus ihren ersten gemeinsamen Aufnahmesessions gingen die größten Soloerfolge ihrer ganzen glanzvollen Karriere hervor.
»Anfang ’59 bat Mercury mich, Dinah zu betreuen«, erinnert sich Otis. »Bis dahin hatte sie entweder reine Bluessongs oder Bigband-Stücke aufgenommen. In unserer ersten gemeinsamen Session nahmen wir ›What a Diff’ rence a Day Makes‹ auf. Das war das erste Mal, dass sie auf diese Art und Weise zu Streicherbegleitung sang. Der entscheidende Moment kam, als ich sagte: ›Schätzchen, leg deine ganze Seele in den Song rein.‹ Als sie erkannte, dass ich nicht versuchte, ihr Talent zu prostituieren, blickte sie nur noch nach vorne.«
»What a Diff’ rence a Day Makes« wurde Dinahs erster Top-Ten-Hit in den Pop-Charts als Solistin. Danach schafften es etliche ihrer Songs in die Top 40, darunter auch »Unforgettable« (1959) und die ergreifende Clyde-Otis-Komposition »This Bitter Earth« (1960). Aretha verliebte sich nicht nur in diese Songs, sondern sollte später auch alle drei selber aufnehmen.
In den Jahren 1958 bis 1960, als die Teenagerin Aretha zu Hause saß und ihre Babys hütete, beschloss sie, dass Dinah Washington die Person war, der sie am meisten nacheifern wollte. Wenn Dinah in Detroit war, trat sie entweder in The Flame Show Bar oder in The Frolic Show Bar auf. Letztere befand sich an der Kreuzung John R. und Garfield. Dort wurde sie immer wie bei einem Staatsbesuch empfangen.
Dinah Washington sollte zu einer sehr wichtigen Person in Arethas Leben werden – nicht nur, weil sie ihr Idol war, sondern auch, weil Aretha durch sie einige Menschen kennenlernte, die später maßgeblich für ihr Privatleben und ihre Karriere wurden. Einer davon war ihr erster Ehemann, Ted White.
White erinnert sich an seine erste Begegnung mit Aretha: »Ich sah Aretha zum ersten Mal, als ich mit Dinah im Haus ihres Vaters zu Gast war. Sie war damals noch ein Teenager. Ich sprach nicht mit ihr, wir sahen sie nur. Sie stand auf der Treppe und wollte
Weitere Kostenlose Bücher