Aretha Franklin - Queen of Soul
Rockmusik. Also nahmen wir am Ende mit keiner von beiden auf.«
Wenn das Timing nur ein klein wenig anders gewesen wäre, hätten Aretha und Erma die ersten weiblichen Stars von Motown Records werden können. Aber es sollte nicht sein. Die beiden Songs, die Davis und Gordy für Erma geschrieben hatten, machten andere Künstler zu Hits. Mit »You’ve Got What It Takes« hatte Marv Johnson 1959 einen Top-Ten-Hit und Etta James landete mit »All I Could Do Was Cry« in den Top 40.
Billy Davis erinnert sich noch lebhaft an die Proben, bei denen Aretha ihre ältere Schwester auf dem Klavier begleitete. Er erlebte sie als sehr willensstark; nicht als den traurigen, unsicheren und zurückgezogenen Menschen, zu dem sie nach Aussage vieler später wurde. »Ich glaube nicht, dass sie schüchtern war«, sagt Davis. »Vielleicht etwas introvertiert, aber ich würde sie nicht als schüchtern beschreiben. Sie hatte ihren eigenen Kopf, das war klar. Aretha war niemand, den man leicht über den Tisch ziehen oder manipulieren konnte, auch in dem Alter nicht.«
Mit 14 Jahren war Aretha eine begabte Pianistin und ein angehender Gospelstar. Sie war gerade dabei, den Verlust der Mutter zu überwinden. Doch dann passierte etwas, das ihr Leben erschüttern sollte: Sie wurde schwanger. Plötzlich war sie mit einem schwerwiegenden Problem aus der Welt der Erwachsenen konfrontiert. Sie brach die Schule ab, um ihr erstes Kind zur Welt zu bringen. Obwohl sie eigentlich selbst noch ein Kind war, bedeutete dies das Ende ihrer sorglosen Jugend und den Anfang eines sorgenvollen Erwachsenendaseins.
Bedauerlicherweise war es in den 1950er-Jahren im innerstädtischen Detroit keineswegs ungewöhnlich, wenn junge, unverheiratete Mädchen schwanger wurden. »Das war in unserem Viertel nichts Besonderes«, erinnert sich Mary Wilson. »Viele Mädchen aus der Nachbarschaft bekamen mit 13, 14 oder 15 Jahren Kinder. Das war der Nachteil dieser armen Wohnsiedlungen, so etwas passierte ständig um uns herum. Es hatte viel damit zu tun, dass die Menschen so eng aufeinander hockten. Ich wuchs in einem sehr strengen Familienverband auf, meine Eltern hätten mich umgebracht! Aber die Franklin-Kinder wuchsen ohne Mutter bei Haushälterinnen auf; das war kein normales Familienleben.«
Auch über 50 Jahre nach der Geburt ihres ersten Sohns weigert sich Aretha, über die näheren Umstände dieser Schwangerschaft Auskunft zu erteilen. Wenn man sie danach fragt, antwortet sie bestimmt: »Das ist sehr, sehr persönlich und ich ziehe es vor, nicht darüber zu sprechen.«
Die unausgesprochene Frage, wer der Vater sei, hat Gerüchten und Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Unter welchen Umständen konnte die Tochter eines so prominenten und im Licht der Öffentlichkeit stehenden Pastors in eine solche Situation geraten? War die Schwangerschaft das Resultat einer Affäre mit jemandem auf den Gospeltours? War es eine Vergewaltigung oder eine Teenager-Romanze? War der Vater des Kindes ein Fremder, ein Verwandter oder jemand, den sie kannte und dem sie vertraute? Man weiß nur, dass Aretha einen Sohn zur Welt brachte und ihn Clarence Franklin nannte – nach ihrem Vater.
Welche gesicherten Erkenntnisse gibt es über Arethas Erstgeborenen? Die offiziellen Geburtsurkunden aus dieser Zeit werden im Staat Michigan unter Verschluss gehalten. Sämtliche Geburtsurkunden von 1893 bis zum heutigen Tag sind eigentlich im Gebäude der Stadtverwaltung in Detroit archiviert – ausgenommen die von unehelichen Kindern, die in der Hauptstadt Lansing gelagert werden. Die Einzigen, die legal Kopien anfordern dürfen, sind die betroffenen Personen selbst oder ihre Mütter. Deshalb bleibt die Identität des Kindsvaters bis heute ein Geheimnis, das nur Aretha kennt.
Doch damit nicht genug: Kurz danach wurde Aretha erneut schwanger und bekam mit 16 Jahren einen zweiten Sohn, den sie Edward Franklin nannte. Und auch den Namen von Edwards Vater hat sie nie verraten.
Was Aretha als Teenager zustieß, legte vielleicht den Grundstein zu einem Muster, das sich in ihrem späteren Leben regelmäßig wiederholen sollte: die Opferrolle, die sie Männern gegenüber einnahm. Wenn es stimmt, dass Menschen das Produkt ihrer Kindheitserfahrungen sind, dann müssen diese traumatischen Erlebnisse die erwachsene Aretha stark geprägt haben. Ihr ganzes Leben lag noch vor ihr und sie stand erst am Anfang ihrer Karriere. Dennoch hatte Aretha Franklin sich schon mit 16 Jahren das Recht erworben, den
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