Aretha Franklin - Queen of Soul
und wir redeten – das waren lange Telefonate. »Wenn sie anrief, dann ging es meistens um ihre Probleme. Wir standen uns in dieser Hinsicht sehr nahe.« Wexlers größtes Problem 1969 war es, Aretha ins Studio zu bekommen. »Aretha hatte ständig irgendwelche Krisen«, berichtet er. »Sobald sie im Studio war, ging alles glatt, aber manchmal war es schwer, sie überhaupt dorthin zu kriegen.«
Die beiden Alben von 1970 gehören zu den aufregendsten und stärksten ihrer Zeit bei Atlantic. Von Ted Whites Einfluss befreit, konnte sie endlich so »loslassen«, wie Clyde Otis es sich gewünscht hatte, als sie noch bei Columbia war. Diese Alben wurden von Jerry Wexler, Tom Dowd und Arif Mardin gemeinsam produziert, was eine Neuerung gegenüber der bisherigen Arbeitsweise darstellte. Zudem wurden Spirit in the Dark sowie die Hälfte von This Girl’s in Love with You in einer neuen Umgebung aufgenommen: in den Criteria Studios in Miami, Florida.
Über die Zeit in Miami erzählt Wexler einige amüsante Anekdoten. »Sie wohnte im Fontainebleau in der Suite, die Sinatra immer bekam; in der Suite gab es eine Küche. Sie kocht unheimlich gern. Sie brachte Essen in Schüsseln mit ins Studio. Manchmal ging mir das ganz schön auf die Nerven, weil ich mit der Session anfangen wollte und die Band auf dem Sofa saß und wartete, während sie noch kochte. Sie bereitete Schweinshaxen, Bohnen, Spaghetti oder Brathähnchen zu. Manchmal war der ganze Regieraum voll davon.«
»Aretha liebt es, ins Zentrum von Miami reinzufahren, um Lebensmittel einzukaufen. Eines Tages kam sie mit einer Papiertüte voller Schweinefüße ins Fontainebleau. Die Tüte riss und die Schweinefüße lagen nun überall im Foyer verstreut. Sie ging einfach weiter und ließ sie dort liegen!«
Doch es gab auch weniger lustige Zeiten. »Sie wurde in Miami einmal während einer Aufnahmesession krank und ich brachte sie ins Krankenhaus. Ich schob sie durch die Hallen des St. Francis Hospital in Miami Beach, zum Röntgen und wo sonst noch hin. Ich war der Einzige, der da war. Trotz ihrer großen Entourage. Ich konnte das nicht verstehen. Sie hatte eine Bauchspeicheldrüsenentzündung und war dehydriert. Aber sie erholte sich davon.«
Vier der elektrisierendsten Tracks auf This Girl’s in Love with You wurden in Miami aufgenommen: »Dark End of the Street«, »Eleonor Rigby«, »Call Me« und der Titelsong. Auf allen zehn Tracks erklingt der stimmgewaltige Gospelchor der Sweet Inspirations in voller Stärke. »Let It Be« von den Beatles wurde so zur inspirierenden Hymne, »Son of a Preacher Man« zu einer Verkündigung und »This Girl’s in Love with You« zur Ode an den Ehemann, der ihr so viel Kummer bereitet hatte. »Eleanor Rigby« war einer der emotionalsten Songs des Albums; es schien, als wäre Aretha einer der »lonely people«, von denen er handelt.
Eine besonders intensive Interpretation lieferte Aretha mit dem Clyde-Otis-Song »Sit Down and Cry« ab. Es geht in dem Lied darum, verraten und belogen zu werden. Arethas Gesang beginnt langsam und wächst allmählich zu einer Klage an, die wie ein emotionaler Exorzismus wirkt.
Jerry Wexler erzählt, dass er Aretha Songmaterial zur Bewilligung »einreichte«. Wenn sie einen Song partout nicht mochte, lenkte er ein. Einer der Songs, die Aretha ablehnte, wurde für einen anderen Künstler bei Atlantic zu einem Riesenhit, sodass Aretha ihre Entscheidung bedauerte. »Son of a Preacher Man« wurde für sie geschreiben«, berichtet Wexler. »Ich brachte ihn ihr und sie sagte: ›Den Song singe ich nicht‹. Ich dachte, es hätte irgendwas mit der Kirche zu tun, und das respektierte ich. Also gab ich den Song Dusty Springfield und er wurde ein Millionenseller. Ein Jahr später sagte Aretha: ›Ich glaube, ich will es machen‹. Dann konnten wir ihn aber nur noch auf ein Album packen. Was für eine Single das für sie gewesen wäre!«
So wie sie den Song auf dem Album singt, wäre »Son of a Preacher Man« garantiert ein Riesenhit für Aretha geworden. Ihre Interpretation ist so überzeugend, dass man glaubt, sie wäre wirklich vom Sohn eines Predigers verführt worden. Auch in »Dark End of the Street« geht es um eine verbotene Liebesbeziehung.
Ein weiteres Highlight des Albums war »Call Me«, ein ergreifendes Liebesgeständnis. »Das beruht auf einer wahren Begebenheit«, erklärt sie. Da waren zwei Menschen auf der Park Avenue, die sich voneinander verabschiedeten und in entgegengesetzte Richtungen gingen.
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