Aretha Franklin - Queen of Soul
damit das Ganze stattfinden konnte«, beichtet Jerry Wexler. »Und wir schafften es!« Ich war total überrascht und begeistert zu sehen, wie intelligent und kenntnisreich diese Langhaarigen aus San Francisco auf jede Nuance von Arethas Musik reagierten. Ich konnte es kaum glauben. Sie verstanden die Musik genau so wie ein schwarzes Publikum. Die Fillmore Kids, die Acid-Brigade aus Haight-Ashbury – ich hätte nie gedacht, das die Musik bei ihnen wirklich Anklang finden würde. Aber wir riskierten es und hatten Erfolg.«
Arethas dritte und letzte Show im Fillmore West fand Sonntagabend statt und wurde von Ray Charles’ Gastauftritt gekrönt. Aretha hatte gerade eine füneinhalbminütige Version ihres aktuellen Hits »Spirit in the Dark« gesungen und verließ zu tobendem Applaus die Bühne. Als sie für eine Zugabe zurückkam, hatte sie Ray Charles am Arm. »Ich habe gerade Ray Charles getroffen!«, verkündete sie, so als ob sie ihn zufällig auf einer privaten Party entdeckt hätte. Gemeinsam sangen Aretha und Charles nun eine achtminütige Version von »Spirit in the Dark«, inklusive mehrerer Takte mit improvisiertem Text von Charles. An einer Stelle im Song setzte er sich ans E-Piano.
Es war ein historischer Augenblick – Aretha Franklin und Ray Charles zusammen auf der Bühne. Und Jerry Wexler hielt ihn auf Tonband fest. Laut Wexler war das Duett rein zufällig entstanden, spontan und nicht geprobt. »Ray war es peinlich, dass er an ein paar Stellen den Text vergessen hatte, und ich musste mich total ins Zeug legen, damit er der Veröffentlichung der Aufnahme zustimmte. Er befürchtete, dass es ihn schlecht aussehen lassen würde. Ich wandte alle meine Überredungstricks an, was ihn aber nicht weiter beeindruckte. Eigentlich wollte ich nur sagen: ›Ray, das ist einfach zu gut, um es im Archiv vergammeln zu lassen, du und Aretha – auch wenn es nicht musikalisch perfekt ist.‹ Schließlich willigte er ein. Meine zwei Idole zusammen! O Mann, wenn ich sie nur dazu hätte überreden können, ein Duettalbum zu machen.«
Time gegenüber erklärte Aretha einmal, dass sie schließlich ihr Lampenfieber überwand, indem sie sich vorstellte, dass sie »nur auf einer Party sei und das Publikum aus Freunden bestehe«. Demnach muss San Francisco für sie die Mutter aller Partys gewesen sein. Sie beendete die Show mit ihrer Version des Ashford & Simpson-Songs »Reach Out and Touch (Somebody’s Hand)« und ging dabei durchs Publikum, das ihr zu Füßen saß.
Die drei Konzerte sowie das Livealbum wurden der erhoffte Erfolg. Die LP erschien im Mai 1971, kam auf Platz 7 der Charts und erlangte Goldstatus. Mit diesem Album erreichte Aretha ein ganz neues Publikum und wurde ermutigt, eine neue Richtung einzuschlagen. Sie legte den Las-Vegas-Stil ab und präsentierte sich mehr im natürlichen Hippie-Look der Black-Pride-Bewegung. Viele Afroamerikaner trugen in dieser Zeit natürliche Afrofrisuren und entdeckten ihre afrikanischen Wurzeln. In dieser Zeit nahm Aretha auch ihr nächstes Meilenstein-Album auf: Young, Gifted and Black .
Ihr wiedererwachter Lebensmut Anfang der 1970er hatte auch mit einem neuen Mann in ihrem Leben zu tun: Ken Cunningham war Ende der 60er-Jahre ihr Road Manager gewesen und nach der Trennung von Ted White ging sie mit ihm eine Beziehung ein, die sechs Jahre währen sollte. 1970 brachte sie ihren vierten Sohn zur Welt, den sie und Ken Kecalf (ausgesprochen: Kalf) nannten. Der Name ist ein Akronym aus den Namen seiner Eltern: Kenneth E. Cunningham und Aretha Louise Franklin.
Aretha und Ken Cunningham zogen in eine Maisonettewohnung in einem in einer Seitenstraße der Fifth Avenue gelegenen Hochhaus, in der schicken Upper East Side von Manhattan. Obwohl sie nie heirateten, war die Beziehung zu Cunningham eine der dauerhaftesten und besten in Arethas Leben. Ken gab ihr Kraft und Selbstbewusstsein zurück. In der Phase, als sie sich von Ted White trennte, hatte sie nicht nur unkontrolliert gegessen, sondern ihren Kummer auch im Alkohol ertränkt. Cunningham half ihr, weniger zu trinken und etwas abzunehmen.
Als Jerry Wexler zur Zeit der Fillmore-West-Konzerte in einem Interview nach Arethas Alkoholkonsum gefragt wurde, sagte er: »Sie hat es unter Kontrolle, glaube ich.« Insgesamt schien sie ihr Leben in dieser Periode »unter Kontrolle« zu haben, was ihr die Freiheit ließ, musikalisch neue Richtungen einzuschlagen.
Im August 1971 verlor Aretha einen weiteren Freund, King Curtis, der seit
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