Arglist: Roman (German Edition)
kontrolliert und sie weiß, dass er eher zögern würde, einen Anwalt zu ihrer Verteidigung zu engagieren?«
»Stimmt alles, aber die Tatsache, dass sie ohne Anwalt mit uns gesprochen hat, bedeutet entweder, sie hält sich für schlau genug, das System auszutricksen, oder, sie hat mit dem Mord an Ben Little tatsächlich nichts zu tun. Zudem wurde sie ausgiebig von Vitton und Lamar überprüft, und die konnten nichts ausgraben, was gegen sie gesprochen hätte außer Bens Lebensversicherung. Ich glaube, Ben war für sie lebendig wertvoller als tot. Er gestattete ihr, den Treuhandfonds anzuzapfen. Und von Frau zu Frau würde ich behaupten, sie mochte ihren Mann wirklich.«
»Dito«, warf Oliver mit geschlossenen Augen dazwischen.
»Stimmst du jetzt ihm oder mir zu?«, fragte Marge.
»Dir.« Oliver richtete sich auf. »Melinda ist arrogant und eine Lügnerin und eine Diebin. Sie könnte auch eine Mörderin sein. Aber ich glaube nicht, dass sie Ben Little umgebracht hat. Ich nehme es ihr ab, dass sie genug hatte von Sex and Drugs and Rock’n’ Roll. Ich denke, sie war froh, mit einer intakten Ehe aus der Szene auszusteigen und diese Versager loszuwerden.«
»Du glaubst, sie war in einer lieblosen Ehe glücklich?«, wollte Decker wissen.
»Manche Frauen«, entgegnete Marge, »kommen mit leidenschaftslosen Ehen gut klar, vor allem, wenn sie sich alles andere von draußen holen. Melinda scheint mir eine dieser Frauen zu sein.«
»Ich glaube außerdem nicht, dass sie Ryan Goldberg angestiftet hat, Ben umzubringen. Sie würde sich auf so etwas nicht mit einem Idioten einlassen, außer sie hätte vorgehabt, ihn dann ebenfalls umzulegen. Sonst wäre er auf ewig eine Last für sie.«
»Dem stimme ich ebenfalls zu«, sagte Marge.
»Darf ich euch beide daran erinnern, dass Goldberg vermisst wird? Vielleicht hat sie ihn ja umgelegt.«
»Falls sie das vorhatte«, erwiderte Marge, »hätte sie das schon längst erledigt.«
»Und wenn Ryan Ben aus eigenem Antrieb ermordet hat?«, fragte Decker.
Marge reagierte zurückhaltend. »Melinda erzählte uns, Goldberg hätte geschworen, dass er es nicht war.«
»Das heißt gar nichts.«
»Du hast Goldberg doch getroffen, Pete. Was meinst du?«
»Auf den ersten Blick erscheint er mir geistig zu verwirrt, um einen Mord durchzuziehen. Aber wie ihr schon sagtet, ich weiß nicht, wie er damals war, und ich kenne ihn nicht wirklich, wie er heute ist. Er könnte zu neunundneunzig Prozent ein freundlicher Riese sein. Und dann sollten wir uns über das fehlende eine Prozent Sorgen machen.«
Oliver zog eine Grimasse. »Er hat Melinda gestalkt. Der ist nicht der passive Typ.«
»Aber er hörte nach Ben Littles Tod damit auf«, entgegnete Marge.
»Das passt zu dem, was Liam über Ryan sagte – er sei zur nächsten Flamme übergegangen«, kommentierte Decker. »Goldberg war ein Serienromantiker, einer, der sich in jede Frau verliebte, die er gevögelt hat. Andererseits hatte Mudd aber auch eine handfeste Krise. Vielleicht wurde sein Nervenzusammenbruch durch den begangenen Mord an Little herbeigeführt.«
»Im Gespräch mit Melinda«, sagte Oliver, »konnte man sehr genau merken, dass sie sich wirklich vor ihm gefürchtet hat. Und zwar so, dass sie ihn noch nicht mal bei der Polizei meldete.«
»War Ryan dermaßen von der Rolle, dass er geglaubt hat, Ben Little zu ermorden wäre die Lösung, Melinda zu bekommen?«, fragte Marge.
»Vielleicht«, meinte Decker, »aber wenn er Ben in der Hoffnung umgebracht hat, Melinda so zu ergattern, warum verschwand er dann nach Littles Tod spurlos aus ihrem Leben?«
»Wie wär’s damit?«, sagte Oliver. »Ryan ermordet Ben mit oder ohne Melindas Zustimmung. Jedenfalls sitzt sie jetzt in der Falle. Sie sagt Mudd, er soll sich bedeckt halten. Das tut er, und während er sich versteckt, bekommt er so starke Schuldgefühle, dass er einen Zusammenbruch hat und Melinda vergisst.«
Decker nickte. »Schon möglich, obwohl ich ihn mir nicht als vorsätzlichen Mörder vorstellen kann. Wenn er Ben getötet hat, dann in der Hitze des Gefechts – oder es war ein Unfall. Ein schwergewichtiger Kerl, der sich seiner Kräfte nicht bewusst ist, wird in einen Streit verwickelt, der außer Kontrolle gerät.«
»Wie Lenny in Von Mäusen und Menschen «, sagte Marge.
»Lasst mich euch daran erinnern, dass Little wie bei einer Hinrichtung im Kofferraum seines eigenen Autos erschossen wurde.«
»Er hatte Helfer«, sagte Marge. »Wir wissen, dass Leroy Josephson mit
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