Arglist: Roman (German Edition)
Zehn Minuten später tauchten Marge und Oliver auf, nachdem sie sich durch zwei Stunden Stau gekämpft hatten. Marge trug einen Jogging-Anzug, aber Oliver hatte irgendwie noch Zeit gefunden, sich in ein Sportsakko mit Schottenmuster und eine braune Freizeithose zu werfen. Decker brauchte nur ein paar Minuten, um sie über den Stand der Dinge zu informieren.
»Man hat uns gebeten zuzuschauen. Im Moment sind wir nichts als Staffage.«
»Revierkämpfe«, sagte Garrett.
»Das ist doch lächerlich«, regte Oliver sich auf. »Wir haben sie in jeden unserer Schritte eingeweiht.«
»Wohl wahr, aber wenn es Tote gibt, ruiniert das ihre Statistik, nicht unsere.«
Die Medien machten ihnen ihre Aufwartung: eine Frau von ABC, ein Mann von CBS und eine Frau von NBC. Dann waren da noch Journalisten der lokalen Sender, von Fox, von CNN und MSNBC. Die Leute der Printmedien – Internet wie Zeitungen und Zeitschriften – jagten ebenso den Antworten nach. Große Schlagzeilen machen Auflage. Wenn Rudy Banks hoffte, wieder als böser Bube im Rampenlicht zu stehen, was im letzten Jahrzehnt ausgefallen war, dann hatte er jetzt die Gelegenheit dazu.
Die Polizisten wurden mit Fragen bombardiert.
Jeder einzelne Medienvertreter erntete für seine Bemühungen ein legitimes Achselzucken, das Unwissenheit signalisierte. Die Presse blieb eine Weile an ihnen dran und zog dann zur nächsten Gruppe weiter, die vielleicht interessantere Infos zu bieten hatte. Mittlerweile war es halb zwölf Uhr nachts.
Deckers Handy vibrierte schon wieder, und wieder war es Liam. »Wie kann ich zu Ihnen gelangen? Ich komme in dem Chaos nicht voran.«
»Gehen Sie nach Hause, Liam. Auf Ihrem Fernseher kriegen Sie die ganze Action viel besser frei Haus geliefert.«
» Hier läuft alles schon über den Bildschirm, Kumpel. Hier sind ungefähr hundert Leute mit Laptops versammelt. Und weitere hundert mit Videokameras.«
»O’Dell, ich muss auflegen.«
»Wenn Sie nicht mit mir reden, Kumpel, dann rede ich mit denen. Gibt jede Menge Blogger um mich herum, Mann.«
»Tun Sie das nicht, Liam!«
»Wo stecken Sie, Kumpel?«
»Sie sagen mir, wo Sie gerade sind.« Decker hörte genau zu. »Ich schicke jemanden zu Ihnen, der Sie herbringt.« Er beendete das Gespräch und sagte: »Liam O’Dell droht damit, den Medien alles zu erzählen, wenn wir ihn nicht aufsammeln und aus der ersten Reihe zusehen lassen.«
»Ich hole ihn her«, sagte Marge.
Decker rief Rina an, um ihr zu sagen, dass es nach einer langen Nacht aussah. Kaum hatte er aufgelegt, sprangen ihm fünf Männer in dunklen Anzügen ins Auge, die gerade aus einer schwarzen Limousine stiegen. »Spezialeinheit … oder FBI.«
»Das ist doch kein Fall für die.«
»Vielleicht hat das SMPD Unterstützung angefordert«, meinte Decker. »Vielleicht hat das FBI hier eine Außenstelle. Oder der Geisel-Vermittlungsbeamte wohnt in der Nähe.«
»Zu viele Leute«, sagte Oliver, »wir sollten nach Hause gehen. Ausrichten können wir jetzt eh nichts, und morgen früh ist alles wieder im Lot.«
»Ihr könnt gehen«, erwiderte Decker, »ich bleib noch da.«
Marge schaffte es mit Liam O’Dell im Schlepptau zu ihnen zurück. Er trug ein Sweatshirt und Jeans, dazu Schlappen an den Füßen. »Irgendein Zeichen von Mudd?«
»Ich weiß nichts Genaues, O’Dell«, klärte Decker ihn auf, »wir sind hier, genau wie Sie, bloß Zuschauer.«
»Wer sind diese Typen da?«
»FBI oder Spezialeinheit«, meinte Decker, »ohne Bericht kann ich dazu nichts sagen.«
O’Dell spitzte die Lippen. »Sollten wir da nicht hingehen oder so?«
»Nein, O’Dell, wir sollten genau hier stehen bleiben«, warnte ihn Decker. »Wenn die Männer in Schwarz mit uns reden wollen, werden die schon zu uns kommen.«
»Was machen die da?«
»Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass sie überlegen, wie sie mit Rudy telefonisch in Kontakt treten können.«
»Wie lange wird das dauern?«
Decker legte O’Dell einen Arm über die Schultern. »Liam, mein Freund, die Mühlen der Justiz mahlen sehr langsam.«
Cindy tauchte eine halbe Stunde später auf, ausgerüstet mit einem Laptop, einer großen Thermoskanne Kaffee und einer Runde Pappbecher. Sie füllte für alle die Becher, danach loggte sie sich in eines der lokalen Netzwerke ein.
Die Gruppe saß herum und beobachtete sich selbst beim Herumsitzen.
Es war weit nach Mitternacht, und die Menschenmenge war nicht kleiner geworden. Da in Los Angeles die Bürgersteige normalerweise gegen elf
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