Arglist: Roman (German Edition)
erhob sich mühsam vom Sofa, packte die Gitarre behutsam zurück in die Decke und verstaute sie wieder in seiner Kochnische. »Danke für den Besuch.«
»Gern geschehen. Ihre Gitarre ist sehr teuer...«
»Es ist eine Martin.«
»Das weiß ich. Sagen Sie niemandem, dass Sie so was haben, okay? Einige weniger nette Leute würden sie sonst vielleicht stehlen.«
»Das sagt mein Bruder auch.«
»Ihr Bruder hat recht.«
»Also gut. Ich sage es niemandem außer meinem Bruder.«
»Gut. Passen Sie auf sich auf, Mudd.«
»Oh, das werde ich.« Der gewaltige Mann nickte. »Das habe ich meinem Bruder versprochen. Er ist Arzt.«
16
Nach der Landung blieb Marge noch genau eine halbe Stunde Zeit, um ein Auto zu mieten, den Stadtplan zu checken und pünktlich bei Darnell Arlington anzukommen, vorausgesetzt, der Verkehr wurde nicht zum Problem. Doch wie sich herausstellte, schien der Verkehr in dieser Stadt nie zum Problem zu werden. Ein leerer Highway zog sich durch ein Gewerbegebiet, das einen Herzschlag später schon wieder vorbei war, und zerschnitt dann ein Wohngebiet mit bescheidenen Klinkerhäusern.
Im Dunkeln konnte Marge erkennen, dass Arlingtons eingeschossiges Haus auf einer Rasenfläche stand, auf die spitzblättrige Ulmen noch dunklere Schatten warfen. Die Straßenbeleuchtung war spärlich. Vielleicht machte hier eine niedrige Verbrechensrate die L. A.-typische Scheinwerferbeleuchtung unnötig. Sie parkte vor dem Haus, ging einen zementierten Weg hoch und klingelte. Die Frau, die ihr die Tür öffnete, hatte ein Baby auf der rechten Hüfte sitzen und ein Kleinkind links von sich, das sich an ihren Rocksaum klammerte. Beide Kinder sahen eher wie Mädchen aus. »Sergeant Dunn?«
»Die bin ich.« Sie zeigte der Frau ihren Ausweis. »Mrs. Arlington?«
»Ja, aber nennen Sie mich Tish. Bitte kommen Sie herein.«
»Gerne, Tish.«
Die Frau stupste das Kleinkind an. »Crystal, geh aus dem Weg.« Das kleine Mädchen rührte sich nicht. Also wuchtete Tish die Kleine auf die andere Hüfte und schaffte es, so beladen immer noch gerade zu stehen. »Hier entlang.«
Das Haus war aufgeräumt und konservativ möbliert: ein geblümtes Sofa mit passendem Sessel, Beistelltischchen mit Lampen und Lektüre, ein Kamin mit Familienfotos auf dem Sims. In der Mitte stand ein großer Laufstall voller Spielzeug, in das Tish die beiden Mädchen setzte. »Ihr seid brav, habt ihr verstanden?« Sie wandte sich Marge zu. »Kaffee?«
»Gerne.«
Tish verschwand in der Küche, redete aber weiter. »Wie lange sind Sie schon in der Stadt?«
»Seit ungefähr fünfundzwanzig Minuten.« Marge antwortete, während sie sich die gerahmten Bilder ansah. Arlington war gute dreißig Zentimeter größer als seine Frau, Tish so um die eins fünfundsechzig. Er hatte auch einen deutlich dunkleren Teint. Tishs Augen waren hellbraun, ihre Haare meistens zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihr Gesicht war schmal, ihre Figur schlank. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Wenn Sie ein Auge auf die Kiddies werfen könnten? Crystal ist vernünftig, aber eben erst neunzehn Monate alt. Sie liebt Moisha, nur manchmal etwas zu sehr.«
»Sie sind sehr brav«, sagte Marge.
»Drücken wir die Daumen, dass es so bleibt.« Ein paar Minuten später kam Tish mit Kaffee zurück. »Darnell verspätet sich etwas. Das Team hat es in die Regional-Endrunde geschafft, daher dauert das Training jetzt etwas länger.«
»Gratuliere.«
»Darnell hat Wunder bewirkt. Vor fünf Jahren, als wir hierherzogen, war die Polk High noch ein Witz.« Sie setzte sich und reichte Marge eine Kaffeetasse. »Ich weiß nicht, wie Sie ihn trinken. Bedienen Sie sich einfach.«
»Danke.« Marge nahm reichlich Milch und Zucker. »Von wo sind Sie hierhergezogen?«
»Ich komme ursprünglich aus North Carolina«, sagte Tish, »aber ich habe Darnell in Cleveland kennengelernt. Große Städte haben ihre Vor- und Nachteile, und den Lärm, die Kriminalität und den Verkehr vermisse ich sicher nicht. Eine schwarze Gemeinde schon. Kensington hat uns gut aufgenommen, doch ich spüre immer noch die Blicke auf meinem Hinterkopf.«
»Gut, dass Darnell mit dem Team Wunder bewirkt hat.«
»Ja, er ist hier der Held.«
»Hatte er mit Rassismus zu kämpfen?«
»Nicht offen, aber bis Darnell bewiesen hatte, was er kann, wurden wir nicht sehr oft zum Grillen bei den Nachbarn eingeladen. Das hat sich geändert. Wer weiß, was wird, wenn das Team öfters verliert?«
»Siege sind vergänglich.«
»Ganz genau.«
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