Arglist: Roman (German Edition)
reaktionär, zu kultiviert, Langweiler, arroganter Idiot, weißer Abschaum.« Oliver hob die Hände in die Luft und lächelte gequält. »Meine Exfrau hatte eine endlose Liste an Themen, über die sie streiten konnte.«
Das Kostüm war offensichtlich teuer gewesen. Genau wie die Schuhe, die Handtasche und der Schmuck. Aber die Kleidung sah an der Frau nicht wirklich gut aus. Die Schultern waren zu breit und die Absätze zu hoch, die Handtasche – eine Clutch – war zu klein, der Rock zu lang. Was den Schmuck betraf …
Schöner Schmuck.
Sie wirkte verloren. Marge wunderte sich, wie sie bloß am Sekretariat der Dienststelle vorbeigekommen war. Sie stand von ihrem Schreibtisch auf und ging zu ihr hin. »Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
»Hilfe wäre durchaus angebracht.« Marge bemerkte, wie der Blick der Frau eisig wurde. »Eigentlich bin ich hier, um Captain Strapp zu sehen.«
»Sein Büro liegt auf der anderen Seite des Gebäudes. Ich kann seine Sekretärin anrufen, um zu klären, ob er da ist, falls Sie das möchten.«
»Machen Sie sich keine Mühe«, erwiderte die Frau, »er ist nicht da. Und ich bin nicht begeistert darüber.« Sie griff in ihre Handtasche, holte einen Zettel hervor und reichte ihn Marge, mit starrem Blick. »Man hat mir gesagt, dieser Mann trage die Verantwortung?«
Marge las die Notiz und schielte zu Deckers Büro hinüber. »Nun ja, nehmen Sie doch Platz, und ich sehe nach, ob Lieutenant Decker da ist.«
»Sie starren eine offene Tür an, also ist er wohl da.« Sie ließ ihre Clutch zuschnappen. »Gut zu wissen, dass wenigstens eine Person die Dienststelle leitet. Ganz offensichtlich hat Ihr Captain ein Abwesenheitsproblem.«
»Mit wem habe ich das Vergnügen?«, lenkte Marge vom Thema ab.
»Genoa Greeves.«
Der Name sagte Marge nichts. »Wenn Sie noch einen Moment Geduld haben, Ms. Greeves, dann sehe ich nach, ob der Lieutenant da ist. Seine Tür steht meistens offen, und doch kann er irgendwo unterwegs sein.«
»Danke.« Genoa beschäftigte sich mit dem Inhalt ihrer Handtasche.
Decker war da. »Da draußen wartet eine Nervensäge namens Genoa Greeves, die mit dir sprechen will«, sagte Marge.
»Genoa Greeves?« Decker stand auf und zog sein Jackett an. »Wo ist sie?«
»Sie wartet im Großraumbüro.« Marge wurde stutzig. »Sollte mir der Name etwas sagen?«
»Sie ist die Milliardärin, die den Little-Fall wieder ins Rollen gebracht hat.«
»Tja, das erklärt ihren Auftritt.«
»Strapp wird dabei sein wollen. Würdest du ihn für mich anrufen?«
»Er ist nicht da.«
Decker verzog das Gesicht. »Übel. Finde raus, wo er sich rumtreibt, und lass ihn seinen Arsch so schnell wie möglich hierherbewegen. Sonst wird er stinksauer sein.« Er hatte sein Ziel anvisiert und ging mit ausgestreckter Hand auf die Frau zu. Sie beehrte ihn mit einem zweifingrigen, fischigen Händedruck. »Ich bin Lieutenant Decker, Ms. Greeves. Derjenige, der am intensivsten am Little-Fall arbeitet. Aber reden wir doch in meinem Büro weiter.«
Genoa folgte ihm. Nachdem Decker die Tür geschlossen hatte, sagte sie: »Kein üppiges Büro. Ich hoffe, das spiegelt nicht den Grad Ihrer Kompetenz wider.«
Decker lächelte, als er einen Stuhl für sie bereitstellte. »Es ist so groß wie fast alle Einzelbüros hier. Aber ich bin sicher, Sie sind den weiten Weg nicht gereist, um mit mir diese Architektur zu diskutieren. Was kann ich für Sie tun?«
»Wo ist Ihr Captain?«
»Er wird jeden Moment kommen. Wenn Sie über Fortschritte in dem Mordfall reden möchten, sind Sie bei mir genau richtig.«
»Er hat den Fall zu Ihnen abgeschoben?«
»Captain Strapp leitet den gesamten Polizeibezirk. Er hat Ihnen einen riesigen Gefallen damit getan, mir den Fall zu übertragen. Ich habe bereits Hunderte von Mordfällen bearbeitet und bin bestens darauf eingestellt, wie in unaufgeklärten Fällen zu verfahren ist.«
»Sind Sie gut?«
»Ich bin genial.«
»Ich habe Sie gegoogelt, und da hieß es, Sie seien Sergeant.«
»Ich bin befördert worden, daran sehen Sie, wie gut ich bin.«
»Haben Sie Verdächtige?«
»Sagen wir mal so: Wir interessieren uns für einige Personen.«
»Und wie weit sind Sie noch von der Lösung des Falls entfernt?«
Decker betrachtete sein Gegenüber. Teure, aber schlecht sitzende Kleidung; sie war geschminkt, allerdings unübersehbar nicht darin geübt. Ihr Haar war schulterlang und kürzlich erst geschnitten worden. Doch ihre dunkelbraunen Augen verrieten sie: kalt, berechnend,
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