Arglist: Roman (German Edition)
wäre ich jetzt Anwalt oder Psychologe.«
»Es ist nie zu spät.«
Wenderhole fühlte sich ertappt. »Ja, Sie haben recht. Ich suche immer noch nach Entschuldigungen. Manche Angewohnheiten lassen sich nur schlecht ablegen.«
»Sie hatten also nicht viel mit Dr. Ben zu tun?«
»Ich fragte mich schon seit langem, wann dieses Gespräch wohl fällig sein würde. Ich dachte eigentlich, es wäre schon so weit, als ich von der Sache mit Primo Ekerling gehört hatte.«
Fassungslos versuchte Marge, ihn nicht anzustarren. »Sie kannten Primo Ekerling?«
Wenderhole kratzte seine Bartstoppeln. »Schließen Sie die Tür. Ich muss Ihnen etwas erzählen.«
29
Bekleidet mit weißen Hosen, einem gelben Poloshirt und einer Schirmmütze, hatte Phil Shriner gerade sein Power-Walking auf dem Grundstück seines Alterssitzes beendet, als er auf Oliver stieß, der vor dem Bungalow 58 auf ihn wartete. Drinnen waren die Räume immer noch beengend vollgestopft mit Möbeln, obwohl an manchen Stellen immerhin das Parkett durchblitzte. Shriner nahm einen Krug mit Limonade aus dem Eisschrank und goss zwei Gläser randvoll ein. Er öffnete die Tür zur Veranda, ging hinaus und lehnte sich ans Geländer. Oliver folgte ihm, und Shriner reichte ihm ein Glas. Der Garten des Detektivs im Ruhestand reichte bis an den Fairway Nr. 6. Shriner blickte auf die Uhr. »In einer halben Stunde werde ich zum Tee erwartet.«
Oliver nippte an der Limonade. »Aber ich sagte Ihnen doch, dass das hier etwas dauern könnte.«
»Ich habe unserer ersten Begegnung nichts weiter hinzuzufügen. Ich weiß wirklich nicht, warum Sie überhaupt die Mühe auf sich genommen haben, hierherzukommen.«
»Dann lege ich am besten gleich los«, sagte Oliver. »Ich glaube, Sie belügen mich, was Melinda Little angeht.«
Shriners Kopf zuckte zurück. »Nun gut, das war direkt. Also werde ich genauso direkt antworten: Ehrlich gesagt ist es mir völlig egal, was Sie glauben.«
»Ach, hören Sie auf, Phil. Sie wissen doch, wie das läuft. Machen Sie sich das Ganze nicht schwerer als nötig. Sagen Sie, was los ist, und ich bin weg.«
Shriner starrte Oliver an. »Welches Problem haben Sie eigentlich? Sie kommen nicht weiter, und da gehen Sie einfach mal ein paar Leuten auf die Nerven, um zu sehen, was dabei herauskommt?«
»Also gut, ich sag’s Ihnen. Melinda Littles Spielprobleme gab es bereits vor dem Tod ihres Mannes. Sie hat das Geld schon lange vor seiner Ermordung im Klo runtergespült. Wir vermuten, dass Sie das auch wussten.«
»Vielleicht habe ich es vermutet, aber gewusst habe ich es nicht. Und warum sollte das von Bedeutung sein?«
»Weil sie, wenn sie vor dem Mord hoch verschuldet war, Bennett Littles Lebensversicherung vielleicht als Lösung ihres Problems gesehen hätte, Phil.«
»Keine Ahnung. Ich sagte Ihnen doch, dass ich sie erst nach dem Tod ihres Mannes kennengelernt habe.«
»Wir haben Zeugen, die Sie beide schon vor Littles Ermordung zusammengebracht haben«, flunkerte Oliver.
»Dann lügen Ihre Zeugen. Ich traf sie erst, als ihr Mann schon tot war.« Shriner warf ihm einen eisigen Blick zu. »Sie spielte viel, und ich bot ihr eine Schulter zum Ausweinen. Sie war verzweifelt, und ich war am Boden. Dann ging ich zu den ›Anonymen Spielern‹ und überredete sie, mit zu einem Treffen zu kommen. So sah unsere Beziehung aus. Im Elend zusammengeschweißt.«
»Erzählen Sie mir noch mal von Ihrem gemeinsamen Plan, als sie das Geld der Versicherung verzockt hatte.«
»Wir beackern hier längst brachliegendes Land.«
»Sehen Sie es mir nach.«
Shriner trank seine Limonade aus und stellte das Glas auf dem Tisch der Veranda ab. »Melinda hatte fast das gesamte Versicherungsgeld für ihren Mann im Casino gelassen.«
»Was war ihre liebste Versuchung?«
»Die Kartentische. Sie wehrte sich, den ›Anonymen Spielern‹ beizutreten, da sie glaubte, wie alle Süchtigen, alles unter Kontrolle zu haben. Ich musste sie ganz schön bearbeiten, bis sie mal einverstanden war, mich zu einem Treffen zu begleiten. Dann kam sie zum nächsten... und zum nächsten. Das Ausmaß ihres Problems erkannte sie dann ziemlich schnell. Das Geld war fast weg, und wenn sie davon nichts wieder auftreiben könnte, wäre sie mittellos. Sie musste sich Geld leihen, um die Zeit zu überbrücken, bis irgendwelche Zinsen auf Obligationen fällig waren, und ihre Eltern waren die Einzigen, die ihre Kreditwürdigkeit nicht überprüfen würden.«
»Aber die wussten doch, dass Melinda das
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