Arglist: Roman (German Edition)
Nachmittag.«
»Falls Darnell Wenderhole angeheuert hat, Little kaltzumachen«, sagte Decker, »dann wird er sich hinter einem Anwalt verschanzen. Du wirst nichts aus ihm herausbekommen.«
»Ich habe ihm mehrfach Nachrichten hinterlassen, dass ich über den Little-Fall reden will. Wenn er einen Anwalt vorschieben wollte, hätte er dazu Gelegenheit gehabt. Er hat zugestimmt, sich mit mir zu treffen. Deshalb glaube ich, dass unsere Theorie, Darnell hätte seine Freunde angeheuert, Mist ist. Vielleicht war es Melinda Little, die jemanden angeheuert hat. Diese Lebensversicherung schwirrt mir immer noch im Kopf herum.«
»Du glaubst, Melinda hat Rudy angeheuert, um ihren Ehemann umzulegen?«, fragte Oliver.
»Weshalb beharrst du so auf Rudy?«, erwiderte Marge.
»Weil er hier rumfleucht wie ein elendig stinkender Furz.«
»Aber wir schieben ihm immer wieder die gesamte Schuld zu. Wie die Demokraten 2008 – alles Böse, das dem Land zugestoßen war, vom Terrorismus bis zur globalen Erderwärmung, wurde George Bush angekreidet.«
Oliver grinste. »Oha, jetzt wird sie aber politisch!«
»Ich sage nur, dass Banks gerade ein guter Müllabladeplatz ist. Wir müssen auch andere Alternativen in Betracht ziehen. Und übrigens solltest du erst mal Will hören, wenn du glaubst, ich sei ein Faschist.«
»Aber Will war doch auf der Berkeley-Universität.«
»Und genau deshalb ist er so rechts.«
»Wir werden Genaueres wissen, sobald du mit Wenderhole gesprochen hast«, ging Decker dazwischen. »Arlington hatte einen Grund, sauer auf Little zu sein. Mal sehen, ob wir darüber mehr erfahren können. Wenn du Wenderhole befragst, achte darauf, dass er sich nicht bedroht fühlt. Schieb Arlington alles zu, wenn’s sein muss.«
»Einverstanden.« Sie wandte sich an Oliver. »Willst du mitkommen?«
»Lustig, gerade wollte ich dich fragen, ob du heute Nachmittag mit mir zusammen Phil Shriner befragen willst.«
»Geht leider nicht. Lass uns später unsere Notizen austauschen.«
»Gute Idee«, sagte Decker, »und vielleicht habe ich bis dahin schon mit Cal Junior gesprochen.«
Marge seufzte. »So viele Verdächtige, so wenig Zeit.«
Menschen sind immer wieder für Überraschungen gut. Es waren einmal drei kriminelle Jugendliche. Und auch wenn es stimmte, dass Leroy Josephson in einem Kugelhagel zu Tode gekommen war, so hatten doch die beiden übrig gebliebenen Jungs die Kurve aus dem Hinterhof in die vorderste Reihe gekriegt. Darnell Arlington unterrichtete Sport an einer Highschool, und Jervis Wenderhole stand auf der staatlichen Gehaltsliste als Jugendbanden-Berater in South Central. Als Bennett Little ermordet wurde, war Wenderhole ungefähr siebzehn Jahre alt. Das bedeutete, dass er jetzt Anfang dreißig war – ein junger Mann im besten Alter.
Wenn jemand Marge gesagt hätte, Jervis Wenderhole sei fünfzig Jahre alt, hätte sie keine Probleme gehabt, das zu glauben.
Vielleicht wäre es die Wirkung des Rollstuhls gewesen. Die Psyche der meisten Menschen assoziierte ihn mit dem Alter. Aber es lag an mehr als nur an den Einschränkungen durch das stählerne Gefährt. Wenderholes kahler Oberkopf war umrundet von einem Ring aus weißen krausen Haaren. Seine tief eingesunkenen Augen waren dunkel und wachsam, seine Lippen blutleer, und helle, farblose Flecken übersäten seinen mokkafarbenen Teint. Als Marge an seine offene Bürotür klopfte, blickte er sich seitlich zu ihr um. Er registrierte sofort die Dienstmarke, die sie um den Hals trug, und machte mit dem Zeigefinger eine Geste, die ihr sagte, sie solle einen Moment warten. Er war gerade dabei, mit einem schlaksigen Jugendlichen zu reden, der einen Basketball umklammerte.
»Ich warte draußen, bis Sie hier fertig sind.« Marge zog sich in den Flur zurück und lehnte sich an eine vormals gelbe, mit Kinderzeichnungen bemalte Wand. Irgendwo gab es eine Turnhalle, aus der das Klatschen von Gummibällen auf den Boden zu hören war, und unter den Lärm mischte sich rhythmisch stampfende Rap-Musik. Marge war an einem Fernsehzimmer und an einem Handwerksraum vorbeigekommen. Von Computern keine Spur.
Der Jugendliche tauchte auf und dribbelte seinen Ball den Flur entlang. Er bog nach links ab und war verschwunden. Marge streckte ihr Gesicht durch die halboffene Tür. Wenderhole saß hinter seinem Schreibtisch und machte sich Notizen. Ohne aufzusehen, sagte er: »Kommen Sie rein, Sergeant.«
Sein Rollstuhl beanspruchte fast den gesamten Platz in dem Zimmer und diente
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