Argus #5
lallte, sie seufzte – die typische sentimentale, gefühlsduselige Besoffene.
Aber: Ich liebe dich?
Er schaute zur anderen Bettseite hinüber, wo sich neben den Unterlagen und Berichten zum Fall Lunders jetzt auch noch die Polizeiberichte aus Fort Lauderdale und die scheußlichen Tatortfotos von Marie Modics misshandelter, achtlos weggeworfener Leiche stapelten. Obwohl Daria längst nicht mehr neben ihm im Bett lag, lag sie doch irgendwie immer noch dort.
Ich liebe dich. Jetzt musst du mir verzeihen. Bitte, Baby …
Sie hatte sich also doch noch entschuldigt. Lang genug hatte es ja gedauert, bis sie ein «Tut mir leid» über die Lippen brachte. Wahrscheinlich war es ziemlich schmerzhaft gewesen, das endlich hochzuhusten. Er griff nach seinem Handy und wählte ihre Nummer. Er war gespannt, ob nur der Alkohol aus ihr gesprochen hatte. Ob sie immer noch «O bitte, verzeih mir, ich hab das alles doch nicht so gemeint, ich liebe dich» säuseln würde, wenn sie wieder nüchtern war. Und wenn? Wenn sie das, was sie betrunken geäußert hatte, auch mit klarem Kopf noch ernst meinte – was dann?
Er holte tief Luft, schloss die Augen und lehnte sich ans Kopfende des Bettes. Frauen. Weich und warm und duftend. Volle Lippen, die zum Küssen einluden, kurvige, üppige Körper. Und der Duft, den sie verströmten! Diese Lockstoffe! Damit fingen sie ihn immer wieder. Er hatte einfach eine Schwäche für die Ladys. Immer schon.
Aber mit ihr, mit Daria DeBianchi, Esq., war gleich von Anfang an alles anders gewesen. Ein kleiner, knallroter Feuerwerkskracher mit einem atemberaubenden, zierlichen Körper und einem Wesen, das mindestens so feurig und finster und forsch war wie ihr Haar. Sie war überhaupt nicht sein Typ: klug, gebildet und konservativ, wenn man mal von den High Heels absah, auf die sie so abfuhr. Manny mochte üppige, kurvige, grelle Latinas, und es war auch kein Fehler, wenn sie nicht ganz so schlau und schlagfertig waren. Aber natürlich hatte es mit denen auch nie funktioniert. Dreimal war er vor den Altar getreten, und doch hatte er sich bei keiner Frau je so gefühlt wie bei Daria: glücklich. Sexy. Männlich. Verrückt. Witzig. Verletzlich. Albern. Klug.
Glücklich.
Das war es. Das war das erste Wort, das ihm einfiel. Es machte ihn glücklich, wenn er mit ihr zusammen war. Fast immer. Und in letzter Zeit hatte er feststellen müssen, dass er absolut kreuzunglücklich war, wenn er sie nicht bei sich hatte. Mürrisch, gereizt. Ihm fehlte einfach etwas. Es war nicht nur der wilde Sex – auch wenn es ihm natürlich sehr gefiel, was er mit ihrer konservativen, prüden Seite anstellen konnte. Wie er sie dazu brachte, Ausdrücke zu schreien, von denen er nie gedacht hätte, dass sie sie kannte. Aber es war nicht nur körperlich: Sie konnten auch stundenlang über Straftäter und Mordschauplätze reden, ohne dass sie drohte, ihn zu verlassen, weil sie das alles eklig oder langweilig fand. Sie konnten über Themen wie Baseball und Politik diskutieren, ohne dass sie schmollte, weil er nicht ihrer Meinung war. Sie war ein riesiger Dolphin-Fan. Und sie verstand, wenn er über irgendein Erlebnis nicht reden wollte, weil sie selbst nur zu gut wusste, wie es war, etwas Grauenvolles mitanzusehen und nichts dagegen tun zu können. Er liebte ihre kleinen Hände, die völlig in seinen verschwanden, wie die Hände eines Kindes. Er liebte ihre Augen, auch, wenn sie vor Zorn glühten, weil sie stinksauer war. Er liebte ihre rubinroten Lippen – vor allem, wenn sie auf seinen lagen. Er liebte es, dass sie zu ihrer Meinung stand. Er liebte ihre Zartheit. Er liebte ihr Lächeln, wenn sie sich einmal dazu durchrang, es zu zeigen.
Er liebte sie.
Noch einmal schlug er mit dem Schädel gegen die Kopflehne. Also, was? Was, wenn sie wirklich meinte, was sie da sagte? Wenn diese kluge, elegante, manchmal zickige, wunderschöne Frau es tatsächlich ernst meinte, dass sie ihn liebte?
Dann würde er es erwidern. Denn es stimmte. Er war oft genug verknallt oder scharf gewesen, um den Unterschied zu erkennen. Und sein kleiner roter Staatsanwältinnenkracher war so völlig anders als die Frauen, in die er früher verliebt gewesen war, dass es diesmal einfach stimmen musste. Es musste wahr sein. Und er war bereit, ihr zu verzeihen und weiterzumachen. Klar, er war immer noch stinksauer, vor allem jetzt, wo Bantlings angeblich versehentliche Haftentlassung durch alle Nachrichten geisterte. Wenn ihm nicht so viel an Daria läge, hätte er
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