Argus #5
Kilo. Eine ernstzunehmende Größe. Frohe Weihnachten!»
«Wenn du’s sagst.»
«Du musst ihr einen richtig gemeingefährlichen Namen geben. Killer. Chops. Tank. Cujo. Monster.»
Sie musterte ihn mit hochgezogenen Brauen. «Tank?»
«Du hast recht – es ist ja ein Mädchen. Wie wär’s mit Tankini? Dann ist Tank die Abkürzung.»
«Wie wär’s mit Luna?», meinte C. J. «Sie ist so weich und wattig wie ein großer, dicker Vollmond. Luna. Das klingt exotisch. Und es ist eine Verbeugung vor deinen italienischen Wurzeln, Dominick.»
«Willst du meine ehrliche Meinung hören, Schatz? Luna klingt nicht so richtig gemeingefährlich. Schräg vielleicht, aber nicht gemeingefährlich.»
«Sie muss ja auch nicht gemeingefährlich klingen, Dominick. Es reicht, wenn sie gemeingefährlich ist – und auch nur in den entscheidenden Momenten.»
«Auch wieder wahr. Und sie ist dein Baby, du kannst sie also nennen, wie du willst, solange du mir anschließend erlaubst, sie zum Menschenfressen abzurichten.»
«Sie ist perfekt, Dominick. Absolut perfekt. Ich finde sie toll!», rief C. J., und Luna sprang aus der Kiste, die dabei umfiel. Sie kuschelte sich in C. J.s Arme und überschüttete sie mit Hundeküssen. «Tausend Dank!»
«Willkommen in der Familie, Luna», sagte Dominick strahlend. «Irgendwie habe ich das Gefühl, es könnte dir hier gefallen. Du hast es ganz gut getroffen mit deinem Stall, Wuschelchen.»
«Ich weiß, Mädchen, du wolltest nur spielen, aber es geht einfach nicht, dass du immer diese kleinen Kläffer um den Baum jagst. Ihre Besitzer sind nämlich auch kleine Kläffer und schätzen das gar nicht», schimpfte C. J., als sie mit Luna wieder zu Hause war. «Die regen sich dann fürchterlich auf.» Luna leckte ihr die Hand.
C. J. warf Schlüsselbund und Zeitung auf den Küchentisch. So viel zum entspannten Sonntagmorgenspaziergang im Hundepark – dem so ziemlich letzten Hundepark, wo Luna noch kein Hausverbot hatte. Spätestens am Abend waren wahrscheinlich sämtliche Bäume, um die Luna gerade ein gutes Dutzend Mal zwei Malteserpudel gejagt hatte, mit Steckbriefen und der Verbrechervisage ihrer Hündin gepflastert. Luna war kein fünf Kilo leichtes Plüschknäuel mehr. Dominick hatte recht behalten: Sie hatte ihre Welpenwuscheligkeit abgelegt und war zu einer windschnittigen, schneeweißen, fünfzig Kilo schweren und durchaus ernstzunehmenden Größe herangewachsen, dem Schrecken jedes Hundeparks. Und obwohl er sie dazu abgerichtet hatte, böse Menschen zu fressen, hatte er ihr doch nie abgewöhnen können, diese schmackhaften kleinen Kläffer zu jagen.
Sie stellte Luna einen großen Napf Frolic hin, setzte eine Kanne Kaffee auf und ging unter die Dusche. Wahrscheinlich musste sie jetzt in die Vororte fahren und dort neue Hundeparks auskundschaften, so wie ein Bankräuber sein neues Ziel.
Aus irgendeinem Grund ging das heiße Wasser nicht, also duschte sie lauwarm und nahm sich vor, nächste Woche unbedingt den Klempner anzurufen. Wieder angezogen, schaltete sie im Wohnzimmer den Fernseher ein und setzte sich dann auf einen Kaffee und eine schnelle Portion Rührei mit Toast zu Luna in die Küche. Sie hatte eine Menge Arbeit vor sich. Nach wochenlanger Verzögerung standen morgen endlich die Schlussplädoyers im Kassner-Prozess an.
C. J. nahm Schüssel und Schneebesen aus dem Schrank und ging im Kopf Sätze und Formulierungen durch.
Vorsatz: Meine Damen und Herren, Sie haben alle das Überwachungsvideo gesehen, das Mr. Kassner dabei zeigt, wie er vier Tage vor dem Brand ganz selbstverständlich Brandbeschleuniger bei Snappy Pro ersteht – einem Fachgeschäft, das sich vierzig Kilometer außerhalb befindet und auf keinem seiner üblichen Wege liegt. So weit entfernt, dass er nicht Gefahr läuft, von irgendjemandem erkannt zu werden. Er hat dort für achtundzwanzig Dollar Benzinbehälter aus Kunststoff gekauft sowie …
Ihre Gedanken brachen mitten im Satz ab.
Die Eier lagen nicht im zweiten Kühlschrankfach, sondern im dritten. Und das Brot war im zweiten Fach. Das gehörte ins dritte.
C. J. knallte die Kühlschranktür zu, wich, von plötzlicher Panik ergriffen, zurück und warf dabei einen Küchenstuhl um. Sofort stand Luna bellend neben ihr. Sie spürte, dass etwas nicht stimmte. Erschrocken sah C. J. sich in der Küche um, ihr Blick streifte die alten Familienfotos und den übrigen Schnickschnack, den ihre Großmutter an die Wand gehängt hatte. Sie atmete tief durch. Sonst war
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