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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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Eiscreme hasste. Außerdem würde sie sich von ihrer Tochter nicht ausstechen lassen, was den Geburtstagskuchen anging. Nicht in ihrem Haus.
    Lena schüttelte den Kopf, als sie das letzte Stück Panettone auf einer Silberplatte drapierte. «Gott, wo hast du bloß diese Schuhe her? Sie sind so hoch.»
    «Gefallen sie dir?», fragte Daria. «Sie sind von Donald Pliner. Und sie sind sogar bequem.»
    Immer noch kopfschüttelnd, schürzte ihre Mutter die Lippen. «Nein. Mh-mh. Dein Stil ist mir ein bisschen zu … flippig. Ich mag es lieber klassisch. Was Nettes. Du weißt schon. Na ja, solange du darin gehen kannst …», rief sie über die Schulter, als sie hinaus ins Esszimmer ging. «Kommt, andiamo ! Ich bringe den Kuchen.»
    Daria blieb eine Weile in der Küche stehen und unterdrückte Tränen der Wut. Wie Lena nicht müde wurde zu betonen, wurde sie bald dreißig. Und die letzten dreißig Jahre hatte sie damit verbracht, um die Anerkennung ihrer Mutter zu kämpfen, selbst wenn sie so tat, als wäre sie längst darüber weg. Jetzt stand sie wieder hier, in ihren schicken hohen Schuhen, und leckte sich die Wunden.
    Irgendwann musste sie sich mit der Tatsache abfinden, dass sie – egal, was sie sagte, tat oder trug, wen sie heiratete, wie erfolgreich sie war oder wie viel Geld sie verdiente – ihre Mutter nie von sich würde überzeugen können. Denn ihre Mutter würde das ersehnte Lob für immer unerreichbar vor Darias unglücklicher Nase baumeln lassen. Was war Einsteins Definition von Wahnsinn? Immer wieder das Gleiche tun und andere Ergebnisse erwarten? Sie und ihr Bruder Marco waren wie Pawlow’sche Hunde – stets aufs Neue standen sie hechelnd vor der Schüssel und hofften, dass Lena ihnen einen Krümel Anerkennung zuwarf oder auch nur ein nettes Wort. Marco hatte um des lieben Friedens willen getan, was von ihm verlangt wurde – geheiratet, Drillinge bekommen und einen normalen Beruf gewählt. Daria war die Rebellin: eine wilde Jugend, kein Mann und ein Beruf, den ihre Mutter verabscheute. Und Anthony … nun, er war schlau gewesen und hatte sich schon vor Jahren aus dem Spiel verabschiedet. Es war ihm egal, ob er Erfolg hatte, ob er irgendjemanden glücklich machte, ob morgen die Welt unterging. Am Wochenende rauchte er Unmengen von Gras, ging Drachenfliegen, schlief mit vielen Frauen und schnallte sich beim Autofahren nicht an. Er erklärte, dass er keinerlei Absicht hätte, zu heiraten oder Kinder zu bekommen. Und doch war er der Einzige in der Familie, von dem ihre Mutter nicht ständig enttäuscht war. Anthony konnte nichts falsch machen.
    Warum ging sie nicht einfach? Lebte ihr eigenes Leben? Schickte eine Karte und ein Geschenk, statt sich immer wieder einen Dämpfer abzuholen? Diese Fragen hatte Daria sich tausendmal gestellt – gewöhnlich auf dem Heimweg von ihren Eltern. Freundinnen hatten aus viel unwichtigeren Gründen den Kontakt zu ihrer Verwandtschaft abgebrochen. Aber sie konnte es nicht, so war es eben. Ihre Mutter war immer noch ihre Mutter. Und jetzt stand Lena zwischen Daria und ihrem Vater.
    Zu ihm war Darias Beziehung immer ganz anders gewesen. Er hatte ihr Fahrradfahren beigebracht, ihr gezeigt, wie man eine Toilette reparierte, ein Reh schoss, Mozzarella selber machte. Als sie jünger war, war es ihm egal, ob sie «Jungs»-Hosen trug, wenn sie ihre Tante besuchten, oder ein grauenhaftes Kleid, das ohnehin zu viel kostete. Sonntagmorgens stahlen sich die beiden aus dem Haus, bevor ihre Mutter aufwachte, und fuhren mit dem Kajak hinaus aufs Meer, wo sie mit einer Thermosflasche Orangensaft und einem Schuss Asti Spumante die Sonne begrüßten. Ihr Vater saß bei ihrem Examen und ihrem ersten Prozess ganz vorne in der ersten Reihe, beides Veranstaltungen, die ihre Mutter schwänzte, indem sie sich eine Migräne zulegte – die einzigen Migräneanfälle ihres Lebens. Selbst wenn Daria aus den Rattenschwänzchen und Prinzessinnenkleidern herausgewachsen war, sie war doch immer noch Papas kleines Mädchen. Und während ihrer ganzen Kindheit und ihrer rebellischen Teenagerzeit war ihr Vater ihr Verbündeter in einem verrückten, streitsüchtigen Haus gewesen – hatte unverdrossen versucht, über den gefährlichen Stacheldrahtzaun hinweg zu vermitteln, der zwischen seiner Frau und seiner einzigen Tochter stand. Wenn Diplomatie scheiterte und die destruktiven Kommentare, Holzlöffelschläge und pathologischen Wutanfälle ihrer Mutter zu viel wurden, haute ihr Vater mit der Faust auf den

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