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Argus #5

Argus #5

Titel: Argus #5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jilliane Hoffman
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Tisch und rief: «Genug ist genug, Lena! Lass sie in Ruhe!», und dann war erst mal Schluss. Ihre Eltern waren schließlich Italiener, und ihre Mutter war von ihren Eltern darauf programmiert worden, sich ihrem Mann unterzuordnen. Doch er konnte ihr nicht befehlen, nicht eifersüchtig auf ihre Tochter zu sein. Und er konnte sie auch nicht zwingen, zum Arzt zu gehen und sich wegen ihrer Wutanfälle behandeln zu lassen. Nicht dass er das je versucht hätte: Für einen waschechten Italiener alter Schule waren Psychiater und Konsorten gleichbedeutend mit Medizinmännern und anderen dunklen Zauberern.
    Doch jetzt war ihr Vater gefangen in einem Körper, der nicht mehr so funktionierte, wie er sollte, befallen von einer Krankheit, die seine Muskeln heimsuchte und ihn innerhalb von zwei Jahren in den Rollstuhl gezwungen hatte. Nun war er abhängig von ihrer Mutter, ihr sowohl körperlich als auch emotional ausgeliefert. Die Regeln des Spiels hatten sich geändert. Er konnte Lena nichts mehr vorschreiben. Er konnte ihr überhaupt nichts mehr sagen. Er litt unter einem besonders aggressiven Typ von Parkinson, und die Prognose war ziemlich düster. Wahrscheinlich musste er eher früher als später in ein Pflegeheim – ein funktionierender Geist in einem nutzlosen Körper. Wenn er nicht mehr allein atmen konnte, würden sie ihn künstlich beatmen, und das wäre der letzte Tag, an dem er sprechen würde. Der letzte Tag, an dem Daria seine Stimme hören würde. Ein Tag, den sie sich nicht einmal vorstellen konnte, doch er kam unerbittlich auf sie zu. Dann wäre sie mit ihrer Mutter allein.
    Sie wischte sich die Augen und sah sich in der Küche um. Die Eistorte stand noch da und zerschmolz zu glänzenden Pfützen aus weißem und braunem Brei.
    Sei vorsichtig. Ich habe kein … gutes Gefühl.
    Die kryptische Warnung ihres Vaters passte auf so viele Aspekte ihres Lebens. Wut stieg in ihr auf, als sie die Kuchenteller auf ein Tablett stellte und die Schwingtür zum Esszimmer aufdrückte. «Nicht so schnell! Wer möchte Eistorte?», rief sie, als sie zurückkam, und aus dem Esszimmer brandete ihr enthusiastischer Jubel entgegen: «Ich! Ich! Ich!»

22
    M anchmal sehen wir nicht, was wir nicht sehen wollen. Denk immer daran, Manuel, dann tappst du vielleicht nicht vollkommen blind durch die Welt …
    Diese Weisheit hatte Mannys Onkel César, bis zu seinem Tod ein hartgesottener Mordermittler vom Miami-Dade PD mit neunundzwanzig Jahren Berufserfahrung auf dem Buckel, seinem Neffen am Tag von dessen Vereidigung zukommen lassen. Das war typisch für Onkel Ces – er warf mit solchen tiefsinnigen Sprüchen um sich, die man nie gleich kapierte, als wäre er der Dalai Lama oder so was. Erst als Manny selbst zum Detective befördert und das Lösen von Fällen auch seine Lebensaufgabe wurde, begann er, die Hälfte von dem zu verstehen, was sein Onkel ihm hatte sagen wollen. Auf die andere Hälfte wartete er immer noch.
    Manny trank einen Schluck Bier, den Blick auf die siebenundzwanzig Bildschirme in der überfüllten Sportbar gerichtet, einen Teller scharf gewürzter Chicken Wings vor sich auf der Theke. Die Marlins gewannen tatsächlich ein Spiel. Norman’s Tavern war nicht seine Lieblingskneipe, aber sie lag um die Ecke, und das Essen schmeckte. Außerdem konnte Manny selbst nicht gut kochen, und er fühlte sich einsam in seinem Haus. Er mochte nicht allein sein, aber auf Gesellschaft hatte er auch keine Lust. Er wollte einfach ein paar Chicken Wings, einen Burger und ein Bier und über die tiefsinnigen Prophezeiungen nachdenken, die sein Onkel vor all den Jahren gemacht hatte …

    Der 21. Januar 1999 war ein kalter, regnerischer Abend in Miami, als in einem stillgelegten Supermarkt im Südwesten von Miami-Dade County eine verweste Leiche gefunden wurde. Die fünfundzwanzigjährige Andrea Gallagher war Cupidos erstes Opfer. Damals konnte noch niemand wissen, dass das klaffende Loch in der Mitte ihrer Brust schon bald weltweit als die Signatur eines Serienmörders bekannt sein würde. Weniger als drei Monate später wurde Manny persönlich zum Fundort von Hannah Cordova gerufen, einer zweiundzwanzigjährigen angehenden Sängerin, die wenige Wochen zuvor aus dem Penrods verschwunden war, einem Nachtclub in Miami Beach. Sie wurde in einer dichtgemachten Crack-Höhle gefunden, mit herausgeschnittenem Herzen, ihre Leiche pervers inszeniert. Es dauerte nicht lang, bis sie feststellten, dass beide Morde zusammenhingen. Die identischen

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