Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
Präsident nickte beifällig. Du verlogenes Dreckstück, dachte Paul Regen. Von wegen selbstverständlich. Die Nächte habe ich mir um die Ohren gehauen, damit du deinen Erkennungsdienst digital bekommst während ich an dem Fall ermittelt habe. Du konntest noch nie die Wahrheit sagen, wenn sie deinen Interessen zuwiderlief, dachte Paul Regen. Du verdammter Opportunist.
»Wie geht es denn jetzt weiter?«, fragte Paul Regen. Es war immer noch sein Ziel, diese Ermittlungen nicht abzugeben. Auch nicht an die Schnalle aus Brüssel.
»Wir werden Ihnen ein Team zur Unterstützung zur Seite stellen«, sagte Solveigh. »Ein Team, das sich mit grenzübergreifenden Ermittlungen auskennt.«
»Was bedeutet, uns zur Seite stellen?«, fragte der Polizeidirektor Wochinger.
»Im Klartext bedeutet es, dass Sie die Lorbeeren ernten werden, weil wir für Sie arbeiten werden.«
»Ich halte das auch im Sinne der konsequenten Ermittlungsgrundlage für eine sinnvolle Maßnahme«, sagte Klaus Wochinger.
Solveigh Lang lächelte ihn an wie einen Siebtklässler.
»Natürlich«, sagte sie.
»Dann ist das entschieden«, sagte der Präsident. »Das bayerische LKA wird die Koordinierung mit dem BKA und Europol übernehmen, wir richten die SoKo ein. Ich werde sofort den Innenminister um eine formelle Bitte zur zentralen Ermittlungsführung hier bei uns im Hause bitten.«
»Ehrlich gesagt«, sagte Agent Lang und klappte ihren Laptop zu, »haben wir bereits mit ihm telefoniert.«
»Sie haben mit dem Minister Milberger telefoniert?«, fragte der Präsident erstaunt.
»Nicht mit dem bayerischen Innenminister, Herr Präsident. Mit dem Innenminister der Bundesrepublik. Und nicht ich habe ihn angerufen, sondern der Chef der ECSB.«
ECSB, das war das Kürzel, das Paul Regen vergessen hatte.
Der Präsident und Wochinger tauschten ungläubige Blicke.
»Sie bekommen den formellen Antrag bis heute Mittag. Allerdings gibt es eine Bedingung.«
»Sie stellen Bedingungen?«, fragte der Präsident.
»Natürlich«, sagte Solveigh Lang. »Wenn wir überzeugt sind, dass sie zur Lösung des Falls unbedingt erforderlich sind …«
Paul Regen tanzte einen gedanklichen Limbo. Es war unglaublich, wie sie mit den beiden umsprang. Und dabei war sie so freundlich wie attraktiv. Irgendwo zwischen liebevollem Töchterchen und eiskalter Berechnung. Sie lief auf diesem schmalen Grat so traumwandlerisch sicher, dass Paul sie dafür bewundern musste.
»Und die wäre?«, fragte Klaus Wochinger. Paul Regen fing einen Blick von Solveigh Lang auf, der ihm sagte, was jetzt kommen würde. Ihr Blick sprach davon, dass sie seine Akte gelesen hatte und dass sie nicht glaubte, was dort schwarz auf weiß geschrieben stand. Sie wollte ihm sagen, dass sie sich entschieden hatte, ihm zu vertrauen.
»Paul Regen leitet das Team«, sagte sie schlicht. »Und zwar als Stabsstelle des Präsidialbüros.«
Klaus Wochinger schnappte nach Luft. »Das ist nicht möglich«, sagte er.
»Es ist notwendig«, antwortete Solveigh. Je größer der Konflikt, desto schlichter wurden ihre Sätze. Paul nahm sich vor, sich diese Taktik einzuprägen.
»Wir können keine ungeklärten Reibereien gebrauchen«, fügte sie hinzu. Paul sah ihr direkt in die Augen. Sie wusste alles. Vermutlich hatte sie sich die Akten besorgt. Und sie hatte die Wahrheit erkannt, obwohl sie nur die offizielle Version gelesen hatte. Paul Regen ahnte, dass diese Frau nicht nur clever war, sondern auch gefährlich werden konnte.
»Wenn es nicht anders geht«, entschied der Polizeipräsident und zuckte in Klaus Wochingers Richtung mit dem Schultern.
Paul Regen erhob sich. Klaus Wochinger starrte ihn an. Paul Regen fand, dass er keinen Grund dazu hatte. Er hatte seine Wette verloren, und wenn er jetzt gewissermaßen zum Begleichen seiner Wettschuld gezwungen wurde, war das nicht sein Problem. Vielleicht schickte ihm Wochinger ja mal zur Abwechslung einen Fisch? Das wäre zumindest einmal etwas Neues.
KAPITEL 73
Veiros, Portugal
Montag, 29. Juli 2013, 23.42 Uhr (am Abend desselben Tages)
Der Wagen rumpelte über einen unebenen Feldweg, als Ioana aufwachte. Sie starrte in die Dunkelheit der Filzdecke, die über ihrem Gesicht und ihrem Körper lag, und sie roch das Chloroform in ihren Atemwegen. Sie hatte kein Gefühl dafür, wie viel Zeit vergangen war. Die lange Bewusstlosigkeit und das Liegen steckten in ihren Knochen. Beim ersten Aufwachen hatte sie geschrien, an ihren Fesseln gezerrt, bis die Hanfseile, mit denen ihre
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