Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
Solveigh.
»Ein Auto, liebe Frau Lang, ist in München ungefähr so sinnvoll wie eine Bullendroschke. Ich besitze keins.«
»Sie fahren kein Auto?«, fragte Solveigh ungläubig.
»Wenn ich meine Zeit damit zubringen wollte, Parkplätze zu suchen, hätte ich mich bei den Politessen eingeschrieben. Im Übrigen verursachen mir Gegenden, in denen es zu viele Parkplätze gibt, Bauchschmerzen.«
»Sie kriegen Bauchschmerzen von Parkplätzen?«
»Nicht direkt. Aber wenn ich in einer Gegend wohnen müsste, wo es beispielsweise freitagabends welche gibt, dann würde ich ja wissen, dass ich da wohne, wo keiner sein will.«
Solveigh fand seine Argumentation zwar eigensinnig, aber einen Logikfehler konnte sie beim besten Willen nicht entdecken.
»Aber Sie haben doch sicher einen Dienstwagen, den wir uns borgen können, oder nicht?«
»Schon, aber ich glaube, ich habe eine bessere Idee. Sagen Sie Ihren Kollegen einfach, sie sollen bis zum Hauptbahnhof die S-Bahn nehmen und dann in ein Taxi umsteigen. Ist schneller und billiger.«
»Einer sitzt im Rollstuhl«, gab Solveigh zu bedenken.
»Wir sind in München, nicht in New York, Frau Lang. Der letzte nicht behindertengerechte Bahnhof wurde 1981 abgerissen.«
Solveigh gab sich geschlagen und schickte Eddy und Dominique eine SMS.
»Mal abgesehen von Ihrer Autophobie: Wie soll es jetzt mit dem Fall weitergehen?«, fragte sie den frisch gebackenen Leiter der neu eingerichteten SoKo »Schachspieler«.
»Kommen Sie mal mit!«, forderte er sie auf und winkte sie in sein Büro. »Und Sie bitte auch, Frau Auch.«
Solveigh entging das unvermeidliche Wortspiel mit ihrem ungewöhnlichen Nachnamen nicht, ebenso wenig, dass die beiden sich siezten, obwohl sie seit über zehn Jahren zusammenarbeiteten.
Paul Regen lief hinter seinen Schreibtisch und deutete auf die Wand, an die er über die gesamte Breite Zettel geklebt hatte. Sie bildeten eine Art Tabelle, einen Ablaufplan für die Ermittlungen der SoKo. Paul Regen musste die letzte Nacht im Büro verbracht haben.
»Ich habe heute Morgen einige Kollegen angefordert, hauptsächlich vom naturwissenschaftlichen Dienst, die uns unterstützen sollen. Außerdem habe ich beim Hausmeister einige Tische und Stühle bestellt, damit wir alle in den beiden Büros unterbringen. Wobei Frau Auch ja an Schreibtischen schon in der Vergangenheit nicht gerade Mangel litt.«
Solveigh grinste und beobachtete die Reaktion von Adelheid Auch. Sie schien erstaunt zu sein. Ein Mann klopfte gegen den Türrahmen: »Ich hätte einen Schreibtisch für Sie?«, fragte er. Paul Regen winkte ihn herein: »Stellen Sie ihn hierhin, direkt mit der Stirnseite an meinen.«
Der Mann in dem karierten Hemd rief nach einem Kollegen und verkantete den Tisch in der Tür zu Paul Regens kleinem Büro.
»Das wird Ihrer, wenn’s recht ist«, sagte Paul Regen.
»Meiner?«, fragte Solveigh.
»Ich dachte mir, wenn wir ein gemeinsames Team aus Ihren und meinen Leuten bilden, dann kann es doch nicht schaden, wenn wir die Wege kurz halten, oder nicht?«
Paul Regens Logik war auch in diesem Fall nicht zu widersprechen, auch wenn sich Solveigh darüber wunderte, dass ein deutscher Kriminalkommissar auf das Privileg eines Einzelbüros verzichtete. Unter allen deutschen Beamten, die sie bisher kennengelernt hatte, konnte sie diejenigen, die so etwas freiwillig taten, an einer Hand abzählen.
»Klar«, sagte Solveigh.
»Das Auswärtige Amt wird unsere Zentrale«, sagte er.
»Auswärtiges Amt?«, fragte Solveigh verwundert.
»Verzeihung, meine interne Bezeichnung für das Reich von Frau Auch. Weil sie für mich gewissermaßen die Vertretung gegenüber den verbündeten oder verfeindeten Staaten hier im LKA ist.«
Der Regen ist sympathisch, entschied Solveigh. Wobei sie natürlich wusste, wer mit verfeindeten Staaten gemeint war. Sie hielt ihm Wochinger vom Leib. Vermutlich war Adelheid auch die Einzige, die die wahre Geschichte kannte, die sich in jener Juninacht vor acht Jahren ereignet hatte. Sie würde sich vornehmen, Adelheid Auch bei Gelegenheit danach zu fragen, wenn das nicht ganz und gar aussichtslos wäre. So wie Solveigh sie einschätzte, wäre ein Verrat an Paul Regen das Allerletzte, was man von ihr erwarten durfte.
»Den Rest des Tages richten wir uns ein und bringen alle auf den neuesten Stand. Ich würde vorschlagen, damit warten wir, bis Ihre Kollegen eingetroffen sind. Wenn die etwas Spezielles benötigen, sollen sie bitte Frau Auch eine Mail schicken, die
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