Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
durchstrich.
Paul Regen beeilte sich, die Tür hinter sich zuzuziehen. Beim obersten Chef persönlich? Wenn das der Rauswurf werden sollte, könnte er wenigstens so viel Anstand besitzen, es selbst zu machen. Paul Regen entschied sich für das dunkle Treppenhaus. Oder ahnte Klaus, dass er die Wette verloren hatte? Dann wäre es natürlich ein geschickter Schachzug, denn vor dem Präsidenten würde er sie natürlich nicht erwähnen können. Verdammt, Klaus war einfach schon immer der geborene Politiker gewesen.
Kurz bevor er das Vorzimmer erreichte, stopfte er sich noch das weiße Hemd in die Jeans. Er war angezogen wie immer, was heute bedeutete, deutlich zu schlecht. Der oberste Stock war Anzugland. Mindestens, bestenfalls mit Krawatte. Paul Regen hatte keine Wahl. Er klopfte.
»Herein«, flötete eine der drei Sekretärinnen, deren Namen sich Paul Regen partout nicht merken konnte. Wieder so ein politischer Fehler, den zu korrigieren er nicht imstande war. Paul Regen öffnete die Tür.
»Die Herren warten schon auf Sie, Herr Regen«, sagte die Namenlose mit perfekt sitzender Frisur und perfekt aufgeräumtem Schreibtisch. Na prima, dachte Paul und ging durch die offen stehende Tür in das größte Büro des gesamten Landeskriminalamts inklusive breiter Fensterfront über die Dächer der Stadt. Er blinzelte in die Sonne und hielt sich die Hand vor die Augen, um überhaupt etwas erkennen zu können.
»Guten Morgen«, sagte Paul Regen und setzte sich auf einen der freien Stühle.
»Guten Morgen, Paul«, sagte Klaus Wochinger gut gelaunt. Schönwetterlage war das schlechteste aller Vorzeichen.
»Schön, Sie wiederzusehen«, sagte Solveigh Lang, die Agentin von der Europapolizei, deren Namenskürzel er bis zum Samstagabend nicht einmal gekannt und heute schon wieder vergessen hatte.
»Wie auch immer«, sagte der Polizeipräsident. »Wollen wir weitermachen?«
Niemand hatte ihm diese Besprechung angekündigt, und niemand konnte erwarten, dass er nicht zu spät zu etwas kam, von dessen Existenz er nicht einmal etwas geahnt hatte. Oder doch?
Solveigh Lang blinzelte ihm zu. Zumindest bildete er sich das ein. Sie schob ihren Laptop in die Tischmitte.
»Dies sind die Fälle, bei denen Hauptkommissar Regen den ursprünglichen Zusammenhang hergestellt hat«, sagte Solveigh und deutete auf den Bildschirm. Obwohl ihn die Sonne noch immer blendete, konnte Paul erkennen, dass sich jemand die Mühe gemacht hatte, seine Leichenstücke grafisch auf einer Europakarte abzubilden. Sein Arm, die Beine aus Frankreich, die Köpfe, Ene aus Spanien, alle waren da. Über der Folie stand »The Regen Cases«. Sein Name. Immerhin war diese Agentin nicht gekommen, um ihm die Butter vom Brot zu nehmen.
»Es ist eine bemerkenswerte Ermittlungsleistung«, fuhr Solveigh Lang fort, »wenn ich mir erlauben darf, das hinzuzufügen.«
Klaus Wochinger rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Es kommt äußerst selten vor, dass Ermittler einen länderübergreifenden Fall aufdecken«, sagte Solveigh. »Sie alle kennen die Hürden, die immer noch damit verbunden sind …«
»Ist es denn sicher, dass wir einen solchen Fall haben?«, fragte Klaus Wochinger in einem letzten verzweifelten Versuch, den Wettverlust doch noch irgendwie abzuwenden.
Agent Lang rief ein zweites Chart auf, das weitere Punkte auf der Landkarte zeigte, die diesmal in Gelb markiert waren.
»Wir konnten den Zusammenhang noch nicht verifizieren, aber eine Abfrage der Datenbanken aller europäischen Staaten hat zumindest eine ungewöhnliche Häufung von Todesfällen im Zusammenhang mit Chemikalien zur Plastination ergeben.«
Sie erzählte ihnen von der Plastination und wie kompliziert das Verfahren sei. Und dass es doch sehr unwahrscheinlich sei, ausgerechnet Spuren dieser Chemikalien bei zusammenhanglosen Mordfällen zu finden. Sie machte Paul Regens Job ziemlich gut.
»Paul Regen war die ganze Zeit einem Serienmörder auf der Spur, der die offenen Grenzen Europas ausnutzt, um seine Taten zu verschleiern. Und Ihnen gebührt der Dank des Europäischen Rats, dass sie es ihm ermöglicht haben, daran zu arbeiten, obwohl es nicht in seinen originären Aufgabenbereich fällt.«
Sie schmiert ihm Honig um den Bart, um dann zuzustoßen, wenn er es am wenigsten erwartet. Paul Regen liebte diese Frau. Wenn auch nur im übertragenen Sinn. Sie schien das politische Gespür zu haben, das ihm fehlte.
»Das war doch selbstverständlich«, sagte Klaus Wochinger, und der
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