Argwohn: Thriller (Solveigh Lang-Reihe) (German Edition)
haben sechs weitere Fälle von Leichenteilen, die mit Konservierungsstoffen in Berührung kamen«, erklärte Eddy. »Zu dreien von ihnen liegt bereits eine positive Laboranalyse vor: Alle haben dieselbe Zusammensetzung. Ich würde vorschlagen, dass wir bis auf Weiteres davon ausgehen, dass sie alle zu unserem Fall gehören, aussortieren können wir sie später immer noch, wenn es nötig sein sollte.«
»Dominique?«, fragte Solveigh.
Der junge Mann mit den blonden Haaren und den schmalen Schultern räusperte sich: »Also statistisch gesehen zeichnet sich noch kein Muster ab.« Er lief zu der Wand, an die Paul eine überdimensionale Europakarte gepinnt hatte. Dominique hatte dort alle Vermisstenfälle und Fundorte mit farbigen Stiften markiert. Die Punkte verteilten sich wie zufällige Farbsprenkel über die gesamte Karte.
»Das Einzige, was ich im Moment als gesichert annehmen würde«, fuhr er fort, »ist, dass die Ablage in Skandinavien eine Ausnahme war.« Er deutete auf den einzelnen Punkt in Kiruna. Tatsächlich waren deutlich mehr Fälle im Süden Europas verzeichnet.
»Ich denke, daraus können wir schließen, dass er im Süden wohnt, oder nicht?«, fragte Paul Regen.
»Das würde ich auch annehmen«, sagte Dominique Lagrand. »Das Zentrum seiner Komfortzone liegt in Süd- bis Mitteleuropa. Dort wird sich auch sein Unterschlupf befinden, wo er die Entführten oder ihre Leichen hinbringt, um sie zu konservieren.«
»Ich würde gerne noch einmal auf das Motiv zu sprechen kommen«, sagte Paul Regen.
Solveigh rutschte auf dem Tisch hin und her: »Aber wenn die Südentheorie stimmt, Herr Regen, dann ist das, worauf Sie hinauswollen, doch doppelt unwahrscheinlich, oder nicht?«
»Das mag sein, aber ich möchte, dass innerhalb dieses Raumes keine Theorie unausgesprochen bleibt, und sei sie noch so abwegig«, sagte Paul Regen. »Und das gilt für alle.« Er warf einen Blick in die Runde.
»Ist klar, Boss«, sagte Solveigh. Es klang keinesfalls ironisch, wie sie es sagte.
»Adelheid Auch, wollen Sie? Ich glaube, ich habe mir damit schon den Mund fusselig geredet, und Sie kennen die Theorie genauso gut wie ich.«
Kriminalhauptmeisterin Adelheid Auch erhob sich. Ihre kratzige Stimme erinnerte Paul an die Chansons, die sie früher gesungen hatte, auch wenn der Text heute ein gänzlich anderer war.
»Wir glauben, dass unser Täter zu den missionsorientierten Soziopathen gehört«, sagte Adelheid Auch. Sie sagte, wir glauben. Und sie verpackte Pauls Theorie in die korrekte Kriminalistenterminologie. Beides freute Paul ungemein, zeigte es doch, dass sie auf dem richtigen Weg waren, zu alter Form zurückzufinden. »Alle sexuellen Motive scheiden entweder aufgrund der unterschiedlichen Opfertypen aus oder aufgrund der unversehrten Leichenteile, die gefunden wurden.«
»Aber gab es nicht schon Serienmörder, die unterschiedliche Opfertypen gewählt haben?«
»Doch, Frau Lang«, antwortete Paul Regen. »Donato Bilancia zum Beispiel. In seinem Fall kamen aber alle aus seinem unmittelbaren Umfeld, und die Männer wurden größtenteils getötet, weil sie ihn bei einem Mord gestört hatten.«
»Ein Beweis ist das nicht gerade«, warf Eddy Rames ein.
»Nein, aber es kommt hinzu, dass Donato Bilancia nicht besonders zielgerichtet vorgegangen ist. Und ich glaube, das können wir bei unserem Täter wohl definitiv ausschließen, oder nicht?«
Er erntete allgemeines Nicken. Paul Regen bedeutete Adelheid Auch fortzufahren.
»Kriminalhauptkommissar Regen und ich glauben«, sie machte eine kurze Pause, als erschiene ihr die Theorie auf einmal doch fragwürdig, »dass er ein Schachbrett füllen will.«
»Ein Schachbrett füllen?«, fragte Eddy Rames.
»Ein missionsorientierter Tätertyp hat eine Eingebung, ein Ziel, das ihm in seiner Phantasie meist eine höhere Instanz befohlen hat«, erklärte Paul Regen. »Ein Indonesier hat einmal geglaubt, dass er die Lebensenergie seiner Opfer in kosmische Macht umwandeln konnte, ein anderer hatte von Gott die Aufgabe gestellt bekommen, die Welt von Homosexuellen zu befreien.«
»Klingt ziemlich krank«, sagte Dominique Lagrand.
»Natürlich«, bestätigte Paul Regen. »Das Wichtigste ist aber, dass diese Form der Soziopathen zwar krank, aber meistens nicht dumm ist. Sie begehen ihre Morde nach einem exakten Plan, weil ihr einziges Lebensziel ist, die Mission zum Abschluss zu bringen.«
»Wie das Ausnutzen der europäischen Grenzen«, sagte Solveigh.
»Genau«, sagte Paul
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