Aries
gestikulierend einem Fremden zu erklären suchte, dass der Stuhl neben ihr besetzt sei. Schnell schob ich mich an dem Mann vorbei und setzte mich hin.
>> Na endlich. <<, stöhnte Marie und zu dem Herrn gewandt: >> Glauben Sie es jetzt? << Er drehte stinksauer ab. >> Warum hat das so lange gedauert? <<, maulte sie, doch mich kümmerte ihre miese Laune wenig, mir war es zu laut.
>> Bist du fertig? <<, fragte ich stattdessen, und als sie nickte, nahm ich das verbliebene Brötchen von ihrem Teller und schmierte Butter darauf. >> Komm wir gehen. << Ich zog Marie von ihrem Stuhl hoch und wir arbeiteten uns zum Ausgang vor. Dort liefen wir Sophie in die Arme. Sie setzte eine freundliche Mine auf.
>> In einer halben Stunde ist Treffpunkt. Wer Lust hat, kann heute mit ins Erlebnisbad kommen. Wer nicht will, hat frei. Heute Abend treffen wir uns, punkt Zehn, zur Nachtwanderung. << Wir nickten und liefen in unser Zimmer.
>> Hast du Lust, ins Bad zu gehen? Ich nicht. Ich würde lieber faulenzen. <<, fragte ich und ließ mich aufs Bett fallen.
>> Warum nicht etwas sportliche Betätigung? Tut uns gut. <<
>> Als ob wir hier nicht genug Sport hatten. Denke an gestern … wie viele Kilometer sind wir gelaufen? Zehn? <<, protestierte ich.
>> Wenn du nicht willst … ich gehe mit. << Marie kramte ihre Badesachen zusammen und packte ihre Tasche. >> Und es macht dir nichts aus, dass ich hierbleibe? <<
>> Nein, macht mir nix aus. Faulenze, aber … << Eine Pause entstand. Marie sah mich ernst an. >> Suche nicht nach Aries. Wenn er dich sehen will, findet er dich und versprich mir … << Ihre Stimme wurde eindringlich. >> Du gehst nicht in den Wald. <<
Ich sah sie erstaunt an.
>> Warum zum Teufel … <<
>> Versprich es mir. <<, forderte Marie unerbittlich.
>> Ist ja gut. <<, sagte ich genervt. >> Ich verspreche es. << Sauer sah ich ihr zu wie sie ihre Sachen packte. Marie schien es in keiner Weise zu stören. Leise vor sich hin summend, stopfte sie Handtücher in ihre Tasche. Und mit einem Lächeln auf den Lippen ging sie zur Tür, ohne zu vergessen, mich an mein Versprechen zu erinnern. Jetzt kochte ich und warf ihr mein Kissen nach. Grinsend schlug sie die Tür zu. Genervt schaute ich zur Decke. Warum sollte ich nicht nach Aries suchen? „Er findet dich, wenn er dich sehen will." Ihre Worte hallten in meinem Kopf nach. Seine Lippen … seine Lippen … sie haben sich wunderbar angefühlt und seine Zunge … der Gedanke ließ mich erzittern.
Ich wünschte, er wäre hier. Aries …
Draußen war es diesig und ich könnte den Tag im Bett verbringen, dachte ich. Aber ich hielt es nicht aus und beschloss nachzusehen, ob ich Aries nicht doch finden konnte. Schnell flitzte ich hinaus. Trotz des miesen Wetters war die Empfangslobby wie ausgestorben. Und als ich vor die Tür trat, nieselte es auch noch. Es war kälter als ich dachte und zog meine Jacke fester um mich herum. Dann sprintete ich ums Haus und hielt Ausschau. Aries war nirgends zu entdecken und auch sein Baumstumpf leer. Enttäuscht schlich ich zurück.
Begriffen die ersten Treppenstufen nach oben zu steigen, rief mir der Mann vom Empfang hinterher.
>> Miss Blendel? <<
>> Ja? << Ich sah ihn mit einem Papier wedeln.
>> Hier ist Post für sie abgegeben worden. <<
>> Für mich? <<, fragte ich erstaunt und lief die Treppenstufen wieder nach unten. Nickend übergab er mir einen Briefumschlag. Mein Name stand drauf. Die Handschrift kannte ich nicht. Verwundert drehte ich das Papier. Der Versuchung widerstehend, den Umschlag sogleich aufzureißen, stieg ich die Treppe hinauf und setzte mich in unserem Zimmer aufs Bett. Vorsichtig riss ich den Umschlag auf. Ein gefaltetes Blatt aus blütenweißem Papier kam zum Vorschein. Meine Augen überflogen die wenigen Zeilen und mir wurde schlecht. Was sollte das?
“Sehr geehrtes Fräulein von Blendel,
nachdem ich Sie nun eine Weile beobachtet habe, muss ich Ihnen mitteilen, dass der Umgang den Sie zurzeit pflegen, nicht zu Ihrem Vorteil gereicht. Im Gegenteil. Ich möchte Sie davor warnen, diese Kontakte weiter zu vertiefen. Sie wissen nicht, worauf Sie sich einlassen und da mir Ihr Wohlergehen am Herzen liegt, bitte ich sie eindringlich, sich in Zukunft Ihre Freunde gewissenhafter auszusuchen.
Denn Nichts ist, wie es scheint.
Ein Freund.“
Aufgewühlt starrte ich das Papier an, und las Wort für Wort mehrmals, bis ich mir sicher war, auch den Sinn verstanden zu haben. Ich werde beobachtet? Von wem? Schauer liefen über meinen Körper. Und ein
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