Aries
Freund? Welcher Freund? Wieder überflog ich die Zeilen. Was war hier nur los? Aufgelöst sank ich in die Kissen. Mein Gott, ich werde beobachtet. Wer, verdammt noch mal, beobachtete mich und warum? Bevor Marie zurück war, musste der Brief unbedingt verschwinden. Schnell steckte ich das Blatt in den Umschlag zurück und verstaute ihn, in der Innentasche meiner Reisetasche. Mir war unheimlich zumute.
Nicht nur der letzte Satz; „ Nichts ist, wie es scheint. “ - vor allem der fremde Beobachter, der machte mir Sorgen. Obwohl er es gut zu meinen schien. Was hatte ihn bewogen, zu schreiben und woher wusste er, dass heute der richtige Zeitpunkt war, mir diese Zeilen übergeben zu lassen. Er musste in der Nähe sein. Hier im Haus? Und er war männlich. Die Gewissheit erschreckte mich.
Die Zeilen kreisten weiter durch meinen Kopf. So schrieb kein junger Mensch. Es wirkte aufgesetzt. Der männliche Beobachter musste älter sein. In meine Gruppe gehörte kein älterer Mann. Die einzigen älteren Männer die ich hier gesehen hatte, arbeiteten im Hotel, analysierte ich. > Ruhig, Fränni. <, raunte ich, um meine Angst im Griff zu haben. > Überlege. < Um mir Mut zu machen.
Wen der fremde Schreiber meinte, darüber war ich mir sofort im Klaren. Marie und Aries natürlich. Ich wusste, dass ich mich nicht fernhalten werde. Ich konnte das nicht mehr. Beide waren mir ans Herz gewachsen. Brief hin oder her … Ich würde dem nicht nachkommen.
Und Freund? Woher weiß ich das? Ältere Männer sind mir egal, es sei denn, sie gehören zur Familie. Da dem nicht so war, beschloss ich dem Papier nicht die Beachtung zu schenken, die der fremde Schreiber erwartet hatte. Doch der heimliche Beobachter hinterließ in mir ein nachhaltig unangenehmes Gefühl, und mich grauste bei dem Gedanken. Noch einen Tag und ich war daheim. Zum Glück.
Diese Klassenfahrt hat es wirklich in sich, grinste ich. Wenn ich gewusst hätte, in welchem Ausmaß, wäre meine Entscheidung mitzufahren vielleicht anders ausgefallen.
Aber Aries je geküsst? - oder Marie so kennengelernt? Nicht auf diese Weise. Konnten die Anderen denken, was sie wollten. Was konnte mir schon passieren, wenn Aries und Marie in der Nähe waren. Sie gaben mir Sicherheit. Und Aries blieb in meiner Nähe.
> Genug jetzt! <, ermahnte ich mich laut. > Denk nicht mehr daran. Das dumme Papier ist es nicht wert. < Ich kann es Zuhause Großvater zeigen, und bis dahin vergessen. Erschöpft fielen mir die Augen zu.
Die Tür wurde aufgestoßen und Marie stürzte polternd herein. Mürrisch linste ich durch meine Wimpern.
>> Marie, nicht so laut. <<, maulte ich müde.
>> Du Faultier. Hast du den ganzen Tag verschlafen? Steh endlich auf. <<, rief Marie und sprangt krachend auf ihr Bett.
>> Nur ein paar Minuten. <<, murmelte ich schläfrig.
>> Paar Minuten? Es ist nachmittags halb vier. <<
>> Nachmittags? <<, erstaunt wurschtelte ich mich aus der Decke. Das Wetter war unverändert - grau und düster, wie zuvor. >> Ich habe sogar das Mittagessen verschlafen. Egal. Heute ist eh ein bescheidener Tag und Ari hab ich auch nicht gesehen. <<
Marie grinste. >> Irgendwas passiert? <<
>> Was soll denn passieren? Ich war doch die ganze Zeit im Bett. << Ein kurzer abschätzender Blick, den ich erwartet hatte, und zufrieden lächelte Marie. >> Und heute die Nachtwanderung. Das kann heiter werden. Ich werde mindestens drei Pullover anziehen müssen und meine dicke Jacke … sonst erfriere ich. <<, lenkte ich sie ab und schüttelte mich, als ob ich Frostattacken ausgesetzt wäre.
>> So schlimm wird’s nicht werden. Aber große Lust habe ich auch keine. <<, gab sie zu.
>> Ja. Wer schlägt sich in der Nacht durch den Wald und bei solchem Wetter? <<
>> Wollen wir runter Kakao trinken oder was willst du? <<, fragte Marie und gähnte.
>> Wir bleiben hier. Ich lese und du schläfst. <<, antwortete ich und holte mir ein Buch vom Tisch.
>> Gute Idee. <<, murmelte sie und kurze Zeit später, zeugten regelmäßigen Atemzüge, dass Marie eingeschlafen war. Ich legte mich mit meinem Buch aufs Bett, stopfte mir meine Zudecke in den Rücken und vertiefte mich in die Lektüre. Nach wenigen Minuten verließ mich die Konzentration und das Buch glitt aus meinen Händen.
Aufgeschreckt erwachte ich. Von Maries Seite tönte leises Schnarchen. Im Zimmer war es stockdunkel und ich schaltete das Licht ein. Halb neun, am Abend. Mein Gott, ich hatte den ganzen Tag verpennt.
>> Marie, aufstehen! Aufstehen du Schlafmütze. <<, rief ich zu ihrem
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