Aristos - Insel der Entscheidung
Jahren und sie, süße siebzehn, die sechs Wochen Sommerferien mit ihrer Familie in einer gemieteten Villa am Strand verbringen wollte. Sechs Wochen, die sein Leben für immer verändert hatten.
Dumme, leichtsinnige, impulsive Kinder waren sie gewesen. Er nicht fähig, seine Finger von ihr zu lassen, und sie nicht imstande, ihn abzuweisen. Insgeheim verfluchte er diese Zeit. Wie die Lemminge hatten sie sich in ihr Unglück gestürzt, fest davon überzeugt, dass sie ihre Gegensätze und die ihrer starrsinnigen Familien durch ihre Liebe überwinden könnten.
Fluchend setzte er den Wagen wieder in Bewegung. Seidig umschmeichelte die warme Abendluft sein erhitztes Gesicht, genau wie an jenem schicksalhaften Abend, als er die gleiche kurvenreiche Straße entlanggefahren war, zum Hafen hinunter, wo er sich mit seinen Freunden auf ein Bier verabredet hatte. Während sie zusammensaßen und über ihre Lieblingsthemen Autos und Mädchen redeten, beobachteten sie, wie die Fähre anlandete und die Passagiere von Bord gingen.
Ganz genau erinnerte er sich an seine Überraschung, plötzlich ein so hübsches Mädchen mit langem blonden Haar und noch längeren schlanken Beinen vor sich zu sehen. Ihre leuchtend blauen Augen, ihre weiche, helle Haut und ihr wunderschönes Gesicht, das sich schlagartig dunkelrot färbte, als sie bemerkte, dass ein halbes Dutzend junger Männer sie mit offenem Mund anstarrte, hatten sich tief in sein Gedächtnis eingeprägt. Ihren kleinen Bruder hinter sich herziehend, der unbedingt noch bleiben und die im Hafen vertäuten Boote anschauen wollte, war sie blitzschnell zu ihren Eltern gelaufen. Drei Tage lang hatte er sie nur in seinen heißesten Träumen wiedergesehen, bis er sich schließlich auf die Suche nach ihr machte.
Er verzog das Gesicht zu einer finsteren Grimasse, während er daran dachte, wie er sie dann endlich beim Sonnenbaden am Strand gefunden hatte. Zwei Wochen später waren sie beide hoffnungslos verliebt gewesen und völlig außerstande, ihrem brennenden Verlangen noch länger standzuhalten. Zwei weitere, herrlich wilde und ungezwungene Wochen folgten, bis Louisa ihm anvertraute, dass sie ein Kind erwartete, und die Hölle losbrach.
Deutlicher hätten seine Eltern ihm ihre Verachtung kaum zeigen können! Aber ihr eigentlicher Hass traf Louisa.
„Die denken doch, ich bin eine billige kleine Schlampe!“
Noch immer schmerzten ihn diese Worte. Vor allem, weil sie haargenau zutrafen. Wie sehr hatte Louisa darunter gelitten, dass seine Eltern eine so schlechte Meinung von ihr hatten!
„Sicher werden sie zur Vernunft kommen, wenn du ihnen ihr erstes Enkelkind in die Arme legst!“ Schon damals hatte sein Trost sie nicht so recht überzeugen können. Er selbst hatte es, blauäugig und naiv, tatsächlich geglaubt. Heute, acht Jahre später, wunderte er sich, dass Louisa nicht schon viel früher davongelaufen war. An ihrer Stelle hätte er es getan.
Vielleicht wäre das sogar das Beste gewesen. Der schreckliche Unfall hätte nicht passieren können, Nikos würde noch leben, und er hätte mehr als nur diesen Schmerz, um die furchtbare Leere nach ihrem Fortgehen zu füllen.
Abrupt fuhr Andreas rechts ran und sprang aus dem Auto, als stünde es in Flammen. Eine salzige Brise zauste sein dichtes schwarzes Haar, während er eine kleine Anhöhe hinaufstürmte, von der aus er einen guten Blick über die Bucht hatte, in der der Hafen lag. Die Hände in den Hosentaschen, beobachtete er mit finsterer Miene, wie die weißen Lichter der Fähre ihrem Ziel immer näher kamen.
„Lass dich scheiden, und fang neu an“, hatte sein Vater gesagt. Insgeheim wusste Andreas, dass er diesen Rat beherzigen sollte. Aber dazu würde er erst einmal loslassen müssen, und er war sich nicht so sicher, ob er das eigentlich wollte.
Ob Louisa schon losgelassen hatte? Fünf lange Jahre hatte er nichts von ihr gehört. Vielleicht hatte sie mittlerweile einen netten, zuverlässigen Engländer geheiratet und schenkte nun ihm all ihre Zärtlichkeit … Bei dem Gedanken daran krampfte sich alles in ihm zusammen.
Während er zum Auto zurückmarschierte, zerrte er ungeduldig an seiner Krawatte. In hohem Bogen flog der schwarze Seidenschlips auf den Beifahrersitz, Jackett und diamantenbesetzte Manschettenknöpfe folgten. Mit offenem Hemd und aufgerollten Ärmeln fühlte er sich schon ein wenig besser. Und für den Rest würden ein paar Drinks in seiner Lieblingsbar sorgen.
Sich mit den Armen auf die Reling der Fähre
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