Aristoteles: Lehrer des Abendlandes (German Edition)
anknüpft, schließt sichtlich an die platonische, vor allem im Dialog Menon entfaltete Lehre von der Anamnesis («Wiedererinnerung») an. Die Kritik an der Methode der Dihairesis (An. Pr. I 31), wie sie Platon in den späten Dialogen Sophistes und Politikos sozusagen vor den Augen des Aristoteles entwickelt, trifft mitten in die akademischen Diskussionen. Unter Dihairesis versteht man eine Gliederung bzw. Untergliederung als Einteilung von Gattungen in Untergattungen, bis man keine Untergattungen mehr vornehmen kann. Auf diese Weise sollen z.B. «der Sophist» oder «der Politiker» bestimmt werden. Aristoteles kritisiert an Platon, dass es sich bei der Dihairesis – sofern man in ihr eine zum Syllogismus analoge Beweismethode sieht – um einen schwachen Syllogismus handelt, weil schon vorausgesetzt ist, was nachzuweisen ist, und weil dabei keine Widerlegungen möglich sind, der Nutzen also gering ist.
Aber auch die anderen Mitglieder der Akademie haben sich an den Diskussionen über die Fragen der Logik beteiligt. Von dem mit Aristoteles nahezu gleichaltrigen Herakleides Ponticus ist ein Schriftentitel Axiom überliefert, von Speusipp Definitionen über deren Inhalt allerdings nichts bekannt ist, und von Xenokrates immerhin neun Bücher Logische Erörterungen Es zeigt sich auch hier, dass wir bei dem Verlust all dieser Schriften die akademischen Diskussionen nur unvollkommen überblicken können.
Auch im Peripatos sind im Anschluss an Aristoteles die logischen Probleme weiterdiskutiert worden. Wie eng dieser Anschluss war, sieht man daran, dass Theophrast dem aristotelischen System der drei logischen Figuren eine vierte hinzugefügt hat, die in der Form B a A & C a B → A a C das Spiegelbild der ersten Figur darstellt.
Offensichtlich hat Theophrast – zusammen mit Eudemos von Rhodos – auch die aristotelische Modallogik modifiziert, und zwar im Sinne einer Vereinfachung.[ 16 ] Die Aufnahme, Diskussion und Weiterentwicklung der aristotelischen Syllogistik in der megarisch-stoischen, der neuplatonischen, der mittelalterlich-scholastischen und schließlich der klassischen Logik sowie die Formen der modernen mathematischen Logik in Kürze nachzuzeichnen, ist ein im Grunde unmögliches Unterfangen. Ganz wenige Bemerkungen müssen genügen.[ 17 ]
Soweit aus den spärlichen Zeugnissen erkennbar, hat die stoische Logik in Auseinandersetzung mit der (wahrscheinlich durch Theophrast vermittelten) peripatetischen (also im Wesentlichen aristotelischen) Syllogistik eine eigenständige Aussagenlogik begründet. Namentlich Chrysipp hat, will man Diogenes Laertius glauben, in nicht weniger als 311 (!) Schriften allein zur Logik (von denen Diogenes Laertius VII 189–200 etwa 70 einzeln mit Titeln anführt) die Vielfalt der aristotelischen Syllogismen auf fünf evidente Figuren zurückgeführt und deren Verknüpfungsformen eingehend diskutiert. Eine explizite Auseinandersetzung mit den aristotelischen Analytiken konnte naturgemäß erst nach deren Bekanntwerden durch die Ausgabe des Andronikos von Rhodos stattfinden. Ein erstes Zeugnis dafür ist der Kommentar von Alexander von Aphrodisias (um 200 n. Chr.) zu den Analytica Priora (erhalten ist nur der Kommentar zum ersten Buch). Von da aus geht der Weg zu den Neuplatonikern, die die aristotelische mit der stoischen Aussagenlogik unter Einschluss platonischer Elemente verknüpft haben. Deren Arbeiten finden sich zusammengefasst in der Eisagoge des Porphyrios (2. Hälfte des 3. Jh.s n. Chr.). Dieses logische Elementarbuch hat namentlich durch die lateinische Übersetzung des Boethius (1. Hälfte des 6. Jh.s n. Chr.) im Mittelalter stark gewirkt. Diese vermeintliche Restauration der aristotelischen Logik, in der vor allem die Kategorien und Hermeneutik integriert waren, galt der Scholastik als Logica vetus . Zu ihr kam in der Hochscholastik eine sog. Logica nova , die auf lateinischen Übersetzungen der Topik und der Analytiken des Aristoteles basierte. Die wichtigsten Zeugnisse dafür sind die für Jahrhunderte maßgeblichen Werke Summulae logicales von Petrus Hispanus (ca. 1225–1277), dem späteren Papst Johannes XXI., und die Summa logica von Wilhelm von Ockham (ca. 1300–1350). Die weitere Entwicklung ist natürlich auch beeinflusst durch die mit den ersten Ausgaben im Druck nun allenthalben im Original zugänglichen Schriften des Aristoteles. Eine wichtige Etappe bildet dabei ein aus dem Geiste des Cartesianismus entworfenes, wiederum für Jahrhunderte
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