Arkadien 01 - Arkadien erwacht
am Grab des Barons.
»Was?«, fragte sie scharf.
Alessandro sah über die Schulter. Legte die Stirn in Falten. Sagte kein Wort, starrte nur mit finsterer Miene zu Tano hinüber, den ganzen Körper angespannt – und fletschte die Zähne.
Rosa hatte es nur aus dem Augenwinkel bemerkt und dachte im selben Moment, dass sie sich getäuscht haben musste. Als sie Alessandro direkt ansah, wirkte er noch immer wütend. Seine Lippen waren fest aufeinandergepresst.
Tano drehte sich wortlos um und schlenderte zurück ins Innere. Im Vorbeigehen schleuderte er eine Kugel über den Billardtisch. Sie schlug so heftig gegen die Bande, dass sie darüber hinwegsprang, hart auf das Teakparkett knallte und rumpelnd davonrollte.
»Was sollte das denn?«, fragte Rosa leise.
Alessandro gab keine Antwort.
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Die Isola Luna glich einem Stück Mondlandschaft, das vom Himmel gefallen war und seither aus unerklärlichen Gründen im Tyrrhenischen Meer trieb.
Graues Vulkangestein, braungrün getupft mit niedrigem Macchiagestrüpp. Aber selbst das zähe Buschwerk aus Ginster, Oleander und niedrigen Steineichen gab sich auf halber Strecke den Berg hinauf geschlagen, als wäre dort alles Leben von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Die Gaia glitt in eine Bucht im Süden der Insel. Der feinkörnige Sandstrand war vermutlich aufgeschüttet worden. Von weitem hatte Rosa keinen anderen Fleck an den Küsten des Eilands entdecken können, an dem es so perfekten, sauberen Sand gab. Als sie in einem der beiden Motorboote der Gaia übersetzten, sah Rosa keine einzige Plastikflasche, nicht daswinzigste Stückchen Abfall im Wasser. Ungewöhnlich für Sizilien.
Sie und Alessandro saßen am Bug des weißen Boots, während Tanos Clique sich auf die übrigen Bänke verteilte. Tano selbst steuerte das Boot mit Hilfe des Außenbordmotors an einen schmalen Steg. Rosa strafte ihn mit Missachtung, spürte aber seine Blicke in ihrem Rücken. Warum starrte er nicht eines der drei Mädchen an, die mit ihm und seinen Freunden an Bord gekommen waren? Vor allem eine schwarzhaarige Schönheit mit Modelmaßen schien sich um ihn zu bemühen, aber er ging nur lustlos auf ihre Annäherungsversuche ein.
Die beiden anderen jungen Männer waren merklich ruhiger als ihre Begleiterinnen. Sie waren gut aussehende Süditaliener, beide trugen verspiegelte Sonnenbrillen. Rosa fand sie so reizlos wie zwei hübsch geformte Seifenstücke im Kosmetikladen.
Alessandro streckte die Hand aus, um ihr an Land zu helfen. Sie nahm das Angebot an, nicht weil sie seine Hilfe brauchte, sondern weil sie Lust darauf hatte, ihn zu berühren. Aber sie zog die Finger sofort wieder zurück, nachdem sie über den Wasserspalt gestiegen war. Sie musste achtgeben, nicht auch noch andere Grenzen zwischen ihnen zu übertreten.
»Die Villa meiner Familie liegt ein Stück östlich von hier, weiter oben am Berg.« Alessandro nickte vage hinauf Richtung Lavahang. »Man kann sie von hier aus nicht sehen, aber es gibt eine Treppe zwischen den Felsen.«
»Ist das Haus bewohnt?«, fragte Rosa.
Tano kam Alessandro zuvor. »Nein. Ein paar Angestellte sehen regelmäßig nach dem Rechten, wenn sie herkommen, um den Strand sauber zu machen.«
Alessandro bückte sich, nahm eine Handvoll Sand auf und ließ ihn langsam durch die Finger rieseln. »Meine Mutter mochte das Haus. Sie war oft hier.«
Das zweite Motorboot legte an. Vier Männer von der Crewpackten allerlei Utensilien aus, breiteten Handtücher über Sonnenliegen, bauten eine kleine Musikanlage auf und entluden Thermokisten mit gekühlten Getränken. Der Kellner war ebenfalls mit an Land gekommen und zählte die vier Gänge auf, die der Koch an Bord der Gaia für das Abendessen vorbereitete. Bis sie serviert wurden, mussten sie sich mit diversen Snacks und Antipasti behelfen.
Die Crew kehrte zurück an Bord der Jacht, die in der Bucht vor Anker lag. Nur der Kellner blieb an Land und machte sich daran, die ersten Getränkewünsche zu erfüllen. Zwei der Mädchen liefen in ihren knappen Bikinis hinaus in die Brandung, während sich die Dritte, Tano und die anderen auf den Liegen niederließen.
Rosa stand unschlüssig da, als Alessandro sein T-Shirt abstreifte, die lange Hose jedoch anbehielt. Er war braun gebrannt wie die anderen und hatte einen durchtrainierten Oberkörper; man sah ihm an, dass er im Internat viel Sport getrieben hatte. Mit einem stummen Seufzen entschied sie, es ihm gleichzutun, zog ihr Shirt aus und fühlte sich in ihrem schwarzen
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