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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Piazza Armerina. Er ist so was wie … ein Freund der Familie, könnte man sagen.«
    »Er liegt erschossen im Kofferraum. Michele muss ihn angehalten haben, irgendwo auf der Strecke. Warte mal …«
    »Was ist los?«
    »Ich seh mich gerade um. Hier sind mindestens zwei Blutspuren, die hinter dem Gittertor ins Gebüsch führen. Das Tor selbst ist ungefähr anderthalb Meter weit geöffnet … Der Schaltkasten ist zerstört. Noch mehr Einschüsse.«
    Vor ihren Fenstern raste in der Dämmerung die ausgetrocknete Hügellandschaft vorüber, erst nach ein paar Kilometern würde sie wieder baumreicher werden. Gelegentlich kamen ihr Scheinwerfer entgegen, auch im Rückspiegel wurde sie von einem geblendet. Ihre Augen reagierten noch empfindlicher darauf als sonst.
    »Okay«, sagte Alessandro. »Ich schätze, ich weiß jetzt, was passiert ist.«
    »Sind die Männer tot?«
    »Ja. Er hat ihre Leichen hinter die Büsche gezogen. Als ihnen klar geworden ist, dass der Mann im Wagen kein Arzt war, müssen sie versucht haben, das Tor wieder zu schließen. Irgendwer hat den Schaltkasten zerstört.«
    »Das hält doch keinen auf! Es gibt nicht mal einen Zaun rechts und links vom Tor.«
    »Aber eine Böschung. Und Bäume. Michele muss die zwei Kilometer bis zum Palazzo wohl oder übel zu Fuß gelaufen sein. Mir bleibt jetzt auch nichts anderes übrig.«
    »Warte, bis ich bei dir bin. Dann gehen wir zusammen.«
    »Das hier ist meine Schuld. Und ich werde nicht zulassen, dass Michele dir noch mal etwas antut.«
    »Zu zweit sind unsere Chancen viel besser.«
    »Rosa, hör mir jetzt genau zu. Komm nicht hierher. Bleib einfach da, wo du jetzt bist, und warte, bis ich mich wieder bei dir melde.«
    »Na klar«, stieß sie hervor, »ganz bestimmt.«
    »Michele will sich an mir rächen. Deshalb will er erst dich töten.«
    »Soll er doch mit dem Hungrigen Mann einen Club aufmachen: Killt Rosa, um Alessandro eins auszuwischen .« Sie strengte sich an, um das Beben in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Irgendwo in der Gegend müssen noch zwölf meiner Leute sein. Was ist mit denen?«
    »Ich sehe keinen.«
    »Michele allein kann sie doch kaum alle –«
    »Die Hundinga heulen nicht mehr.«
    »Vielleicht sind sie fort.«
    »Vielleicht.«
    Sie krampfte die Hände ums Lenkrad. »Sind sie nicht, oder?«
    »Nein«, sagte er. »Sie treiben sich bestimmt irgendwo hier herum. Und wenn sie auf dem Weg zum Palazzo sind oderschon dort angekommen, dann werden sie deine Leute –« Er stieß einen unterdrückten Fluch aus.
    »Was?«, rief sie ins Handy, zu aufgewühlt, um einen ganzen Satz zu Stande zu bringen. Ihre Angst um ihn wurde von Minute zu Minute größer.
    Etwas krachte im Hintergrund.
    »Sind das Schüsse ?« Sie schmeckte Eisen auf der Zungenspitze.
    »Weiter oben im Hang«, sagte er. »Am Palazzo, glaube ich.«
    »Ich ruf die Richterin an. Quattrini kann Verstärkung schicken und –«
    »Die Polizei? Wie lange brauchen die wohl, bis die hier draußen sind? Eine Stunde? Zwei? Vergiss es. Und wenn das hier vorbei ist, wirst du froh sein, dass keine Polizisten hier waren, um den ganzen Palazzo auf den Kopf zu stellen.«
    »Ist mir egal, ob –«
    »Nein, ist es nicht. Darf es nicht. Wir sind capi . Leute wie wir haben gar keine andere Wahl, als die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.«
    »Falls Iole etwas zustößt –«
    »Wird das auch keine Polizei ändern können, wenn sie in einer halben Ewigkeit hier auftaucht.«
    »Und Männer aus Piazza Armerina? Mit ein paar Anrufen könnte ich zwanzig oder dreißig herkommen lassen.«
    »Dauert alles viel zu lange. Außerdem bin ich schon auf dem Weg nach oben.«
    Hilflosigkeit und Angst schnürten ihr die Luft ab. »Sturer Idiot«, flüsterte sie, aber er verstand, was sie meinte.
    »Ich dich auch.«
    »Pass ja auf dich auf.«
    »Hältst du irgendwo an und wartest?«, fragte er, allmählich atemlos vom Aufstieg durch die Olivenhaine.
    »Sicher.«
    »Und wirklich?«
    »Nie im Leben«, sagte sie.
    »Dann muss ich dafür sorgen, dass das hier vorbei ist, ehe du auftauchst.«
    »Zwanzig Minuten. Maximum. Mach keinen Blödsinn.«  
    »Zwanzig Minuten gegen den Rest unseres Lebens. Klingt nach einem guten Tausch.«
    »Den Rest unseres Lebens«, wiederholte sie leise und starrte in die anbrechende Nacht. Die Umrisse der Landschaft verschwammen vor ihren Augen.
    »Versprochen?«
    Sie drückte ihn weg und warf das Handy auf den Beifahrersitz.
    »Versprochen«, schwor sie der Finsternis.

Aufstieg
    A

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