Arkadien 02 - Arkadien brennt
lessandros Ferrari parkte verlassen am Straßenrand, gleich neben dem Gittertor zur Auffahrt. Ein paar Meter weiter stand der Panda des Arztes. Der Kofferraumdeckel war geschlossen.
Rosa hielt an, so dass die aufgeblendeten Scheinwerfer des BMW ins Unterholz seitlich des Tors leuchteten. Es war ein Stück weit geöffnet, genau wie Alessandro gesagt hatte.
Sie glitt ins Freie, während im Inneren des Wagens das Alarmsignal für die eingeschalteten Scheinwerfer fiepte. Hastig drückte sie die Tür zu und näherte sich dem Ferrari. Sie spürte einen Stich in der Brust bei dem Gedanken, dass Alessandro gerade eben noch hier gewesen war. Jetzt war er fort, irgendwo dort oben in der Dunkelheit.
Sie öffnete die Fahrertür und berührte mit den Fingerspitzen das Leder der Rückenlehne. Es war wie ein Zwang. Sie wollte Alessandro spüren, und dies hier war das Beste, was sie kriegen konnte.
Mit einem Ruck warf sie die Tür zu, viel zu laut, und überlegte, ob sie es dem Toten schuldig war, einen Blick in den Kofferraum des Panda zu werfen. Der Mann war gestorben, weil sie ihn angerufen hatte.
Besser, sie gewöhnte sich an so was.
Das Licht ihrer Scheinwerfer musste weithin zu sehen sein, darum eilte sie zurück zum BMW und schaltete sie aus. Die Stille, die auf das Alarmsignal folgte, schien ihr jetzt doppelt bedrückend.
Als sie durch den Spalt im Gittertor trat, entdeckte sie die Blutspuren, von denen Alessandro gesprochen hatte. Mit einem Kloß im Hals schob sie die Zweige beiseite und blickteins Unterholz. Da lagen die Männer in einer kleinen Senke. Vier Silhouetten, verdreht und verschlungen. Noch mehr Leichen.
Rosa riss sich zusammen und stieg steifbeinig aus dem Geäst zurück auf die Auffahrt. Mittlerweile war es fast völlig dunkel. Der Vollmond versilberte die Baumwipfel auf den Hügeln. Sie schrak zusammen, als wie aus dem Nichts ein Wagen die Landstraße entlangraste, einen Herzschlag lang das Tor und die abgestellten Autos in Helligkeit tauchte und wieder verschwand. Erstmals wünschte sie sich, dass es eines der Observationsfahrzeuge der Richterin wäre. Aber ausgerechnet heute war keiner ihrer Beschatter zu sehen.
Sie schätzte, dass Alessandro in der Zwischenzeit bereits am Palazzo angekommen war, querfeldein durch die Olivenhaine war der Weg kürzer als über die zwei Kilometer lange Auffahrt. Irgendwo mussten hier noch Waffen herumliegen, doch sie sah keine und konnte sich nicht überwinden, die Leichen nach Pistolen zu durchsuchen.
Noch einmal horchte sie, ob sie irgendwo das Heulen der Hundinga hörte, aber da war nichts außer Insektenschnarren und einem einsamen Eulenruf. Mit aufeinandergepressten Lippen setzte sie sich in Bewegung, huschte die kleine Böschung auf der anderen Seite der Auffahrt hinauf und tauchte geduckt zwischen die knorrigen Olivenbäume, die hier bis fast an die Straße reichten. Schon nach wenigen Schritten stieß sie auf den Pfad, über den während der Erntezeit die Pflücker ihre Körbe trugen. Zuletzt war sie hier entlanggegangen, als sie sich aus dem Palazzo geschlichen hatte, um mit den Carnevares zur Isola Luna zu fahren. Fundling hatte sie unten an der Straße erwartet und zur Küste gebracht.
Seit ihrem letzten Besuch an Fundlings Krankenbett hatte sie kaum an ihn gedacht. Er verunsicherte sie. Nach wie vor war der sonderbare Junge für sie ein Vakuum, beinahe selbst einesjener mysteriösen Löcher in der Menge, von denen er einmal gesprochen hatte. Ziemlich wirres Zeug.
In der Ferne peitschte ein Schuss, sein Hall rollte den Hang herab. Ganz in der Nähe stoben zwei Vögel auf und flatterten davon.
Mittlerweile hatte Rosa ein gutes Drittel des Aufstiegs hinter sich gebracht. Die Lichter des Palazzo waren von hier aus noch nicht zu sehen. Schwere Wolken schoben sich in diesem Moment vor den Mond. Das Rascheln der Zweige im Abendwind wurde gespenstisch, als die Bäume kaum mehr zu sehen waren.
Auf dem Pfad vor ihr lag etwas.
Ein weiterer Toter. Doch das formlose Bündel entpuppte sich im Näherkommen als erstes von mehreren Kleidungsstücken, abgestreift und fortgeworfen. Sie erkannte den Pullover wieder. Aus einer Tasche der zerknüllten Jeans schaute ein Handy hervor. Alessandro schlich jetzt irgendwo dort oben als Panther durch die Dunkelheit. Vielleicht war er schon am Haus. Hatte der Schuss ihm gegolten?
Sie hätte versuchen können, sich ebenfalls zu verwandeln. Einige Sekunden lang war sie überzeugt, dass das der beste Weg war, um unentdeckt zu
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