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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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für ein Ticket bezahlt, nur damit sie dich in die Lounge lassen?«
    »Mein Vater hat das Dreifache für ein Set Golfschläger ausgegeben. Dagegen ist das hier ’ne Spitzeninvestition.«
    Sie drückte ihre Lippen auf seine und tastete nach seiner Zunge, bis sie beide keine Luft mehr bekamen. Eine Frau auf dem benachbarten Sofa erhob sich und zog ihren Mann eine Sitzgruppe weiter.
    Rosa spürte ein kühles Kribbeln in ihrer Brust, blickte auf ihre Hand und sah, wie sich Reptilienschuppen auf den Fingern bildeten. Ihre Haut schien transparent, während darunter die Verwandlung begann. Erschrocken zuckte sie zurück, sah Besorgnis in seinem Blick und wusste, was er gerade in ihren blauen Augen entdeckte: Ihre Pupillen hatten sich zu Schlitzen verengt.
    Nicht jetzt, dachte sie alarmiert.
    Scheißhormone.

Ohne dich
    H ey«, flüsterte Alessandro besänftigend und zog Rosa aufs Sofa. Die Sichtwände zwischen den Sitzecken schützten sie notdürftig vor Blicken.
    Viel zu hektisch rieb sie die Hände an ihrer Jeans, als könnte sie die beginnende Metamorphose abwischen. Sie zwang sich, ein paarmal tief durchzuatmen. Allmählich zog sich die Kälte wieder zu einem winzigen Punkt in ihrem Herzen zusammen.
    Sein Haar war nicht mehr dunkelbraun, sondern schwarz. Sie war ganz sicher: Hätte sie jetzt die Hände unter sein Hemd geschoben, hätte sie den feinen Flaum des Pantherfells auf seinem Rücken streicheln können.
    »Kein guter Ort«, sagte sie und verkniff sich ein nervöses Lachen.
    Seine Augen blitzten spöttisch. »Für den Preis sollte mehr drin sein als ein Sandwich aus der Kühltheke.«
    Sie nahm seine Hand und massierte sie sanft zwischen den Fingern. Als er sich vorbeugen wollte, um sie abermals zu küssen, lächelte sie abwehrend. »Du siehst doch, was passiert. Solange wir es nicht kontrollieren können –«
    »Kein Sex«, gelobte er grinsend.
    Ihre Versuche, miteinander zu schlafen, hätten auf andere ziemlich befremdlich gewirkt. Meist endeten sie in einem Chaos aus Verwandlungen, das mal komisch, mal ärgerlich und oft nur peinlich war. Am schlimmsten war, dass sie dabei selten das Gleiche empfanden: Wenn es ihn zum Lachen brachte, wollte sie auf der Stelle sterben. Und sobald sie ihn mit seinem Pantherfell aufzog, begann er zu schmollen.
    Starke Gefühle brachten bei ihnen beiden etwas zum Ausbruch, das in der Lounge für mehr als empörte Gesichter gesorgt hätte. Ohnehin fühlte Rosa sich auf Schritt und Tritt beobachtet, von den Spitzeln anderer Clans, Undercoveragenten der Polizei, von Raubtieraugen hinter den Masken biederer Normalität. Ganz sicher waren andere Arkadier im Raum.
    »Themenwechsel?«, schlug sie vor. Die Alternative zu eiskaltem Wasser.
    »Börsenkurse? Das Wetter?«
    »Verantwortung.« Was aus ihrem Mund nun wirklich wie ein Fremdwort klang.
    Sein Haar wurde schlagartig braun.
    »Du hast die Typen ja gesehen«, sagte sie. »Sie haben vor dem Flughafen gewartet und mir Papiere vor die Nase gehalten, die ich unterschreiben soll. Konstruktionsaufträge für neue Windräder. Aktienoptionen. Subventionsanträge.« Sie verstand was von Romantik, keine Frage.
    »Vielleicht solltest du hin und wieder zu ihnen in die Stadt fahren. Oder sie im Palazzo empfangen.«
    »Ich unterschreibe jeden Tag irgendwas «, ereiferte sie sich. »Morgens telefoniere ich stundenlang mit obskuren Großcousinen in Mailand und Rom, nur weil sie Firmen führen, die zufällig mir gehören. Ich kenne die nicht mal! Bin schon froh, dass ich mir ihre Namen merken kann.«
    »Solange dir nur klar ist, dass sie dich mit jedem Wort belügen.«
    Im Oktober war die Leiche ihrer Tante Florinda Alcantara aus dem Tyrrhenischen Meer gefischt worden. Betroffener als die Schusswunde in Florindas Schädel hatte Rosa der Umstand gemacht, dass die Erbfolge von ihr verlangte, auf den Chefsessel des Clans nachzurücken. Niemand wollte sie dort und keiner hatte ernsthaft erwartet, dass sie die Herausforderung annahm. Wahrscheinlich hatte sie es gerade deswegen getan. Als der erste ihrer neuen engen Vertrauten und guten Freunde , die jetzt scharenweise im Palazzo Alcantara aufmarschierten, ihr nahegelegthatte, freiwillig auf das Erbe zu verzichten, hatte sie ihren Entschluss gefasst. Sollten sie sehen, wie sie mit ihr klarkamen.
    »Ich geb mir ja Mühe dazuzulernen« – das war eine freie Umschreibung ihres Desinteresses –, »aber ich bin nicht Florinda. Auch nicht Zoe. Ich komme mir vor wie ein Pilot, der auf zehntausend Metern

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