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Arkadien 02 - Arkadien brennt

Titel: Arkadien 02 - Arkadien brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Aber abgesehen davon mussten sie nicht darüber sprechen. Sie wollte lediglich etwas über ihren Vater und TABULA erfahren.
    Es war erbärmlich, einfach herumzustehen und gar nichts zu tun. Nicht hineinzugehen, nicht abzuhauen. Genau diese Unentschlossenheit hatte Nathaniel getötet.
    Die Gardine neben dem Blumenstrauß bewegte sich. Ein Luftzug?
    Warum kam nicht gerade jetzt der Schneeräumer vorbei und überrollte sie? Das hätte die ganze Sache so viel einfacher gemacht.
    Ihre Hand in der Tasche hielt noch immer die Fabeln . Sie bemerkte es fast ein wenig erschrocken, ließ das Büchlein los und zog stattdessen das Handy hervor. Sie tippte die Nummer ein und stoppte knapp über der Ruftaste.
    Die Gardine bewegte sich erneut. Wirklich nur der Wind. Die Fenster waren kaum isoliert. Rosa atmete durch und drückte auf Anrufen.
    Sie hörte das Klingeln bis hinaus auf die Straße. Dreimal, viermal.
    Leg besser auf.
    Hinter den Fenstern sah sie einen Umriss, jemand ging vom Schlafzimmer in die Küche.
    »Hallo?« Ihre Mutter klang müde. Also doch die Nachtschicht. »Ha-llo?« Schon wacher und gereizt.
    Rosas Augen brannten. Sie hörte Gemma atmen. In der Einfahrt des Hauses tauchte ein kleiner Hund auf und bellte. Ihre Mutter musste es ebenfalls hören. Zweifach, wie ein Echo – durchs Fenster und aus ihrem Telefonhörer.
    Hastig unterbrach Rosa die Verbindung und ging.
    Der Hund folgte ihr kläffend ein Stück die Straße hinunter, dann ließ er sie laufen, zufrieden, dass er den Feind in die Flucht geschlagen hatte.

Sein Gesicht
    D ass sie den Panther aus Bronze entdeckte, war Zufall.
    Er kauerte auf einer Anhöhe im Central Park und schaute aus schwarzen Augen auf den East Drive herab, eine der beiden Straßen, die den Park von Norden nach Süden durchquerten. Von dort oben musste seine Sicht über die Baumkronen hinweg bis zur Skyline der Wolkenkratzer an der Fifth Avenue reichen. Er schien zum Sprung bereit, auf seinem Fels inmitten entlaubter Ranken von wildem Wein.
    Rosa setzte sich auf eine Bank und betrachtete die Statue von weitem. Jogger und Spaziergänger kamen vorbei, dann und wann eines der Pferdegespanne, die Touristen und Liebespaare durch den Park kutschierten. Eiszapfen hingen wie gefletschte Zähne von den Lefzen der Raubkatze. Trotzdem fand sie in den dunklen Augen nur Traurigkeit, nichts Furchteinflößendes.
    Bevor sie hergekommen war, hatte sie ihren Laptop aus dem Hotel geholt. Parkarbeiter hatten die Bänke enteist, dennoch drang Kälte durch ihre Jeans und die Strumpfhose.
    Der Bronzepanther schien sie zu beobachten. Sie kannte den Effekt von anderen Standbildern, auch von den Ölgemälden im Palazzo Alcantara. Wäre sie aufgestanden und ein Stück weit gegangen, wären die Blicke der Statue ihr gefolgt.
    Der Laptop lag zugeklappt auf ihrem Schoß, als sie Alessandros Nummer wählte. In Italien war es jetzt kurz nach neun. Sie hatte ihn einmal gefragt, was er an jenen Abenden tat, die sie nicht zusammen verbrachten. »Nichts«, hatte er geantwortet, »ich sitze da und tue nichts.«
    »Du meinst, du liest? Oder schaust fern?« Noch während sie das sagte, kam sie sich so sterbenslangweilig vor, dass sie schreien wollte.
    Alessandro schüttelte den Kopf. »Wenn es warm ist, gehe ich raus auf die Zinnen und schaue über die Ebene im Süden. Über die Hügel am Horizont. Wenn der Scirocco weht, kannst du Afrika riechen.«
    »Ist das so eine Panthersache?« Sie gestikulierte unbeholfen. »Ich meine … Panther. Dschungel. Afrika.«
    »Da kommen wir her. Ursprünglich jedenfalls.«
    »Ich dachte, aus Arkadien.«
    »Das, was menschlich an uns ist. Aber der andere Teil, die Wurzel der Panthera, liegt irgendwo in Afrika.«
    »Und Schlangen?«
    »Für die gilt das Gleiche, schätze ich.«
    »Zeigst du’s mir? Wie man Afrika riecht, da oben auf euren Zinnen?«
    »Sicher.«
    Auch der Panther auf dem Fels sah aus, als träumte er von der Ferne.
    Das Freizeichen riss sie aus ihren Gedanken. Kurz darauf meldete sich Alessandros Mailbox. Rosa zögerte kurz, räusperte sich, lächelte und sagte: »Ich denke gerade an dich. An das, was du über Afrika gesagt hast. Hier ist ein Panther bei mir. Er ist aus Metall, aber ich würde gern zu ihm raufklettern und ihn umarmen.«
    Liebe Güte. Das war mit Abstand das Lächerlichste, was sie jemals von sich gegeben hatte. Panisch unterbrach sie die Verbindung und realisierte in derselben Sekunde, dass es zu spät war. Sie konnte es nicht mehr rückgängig machen. Zu

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