Arkadien 03 - Arkadien fällt
Taschen seiner Jeans vergraben. Eine Windbö fuhr in seine langen Dreadlocks und bewegte sie wie einen der Vorhänge aus Plastikschnüren, die die Sizilianer so liebten.
»Du warst nackt unter deiner Decke«, fuhr er fort, »aber du hast kein bisschen verstört gewirkt. Nicht mal beschämt. Du hast nur entschlossen ausgesehen, so als würdest du dich von nichts und niemandem aufhalten lassen.«
»Wenn du das so genau weißt, dann mach jetzt bitte das Tor auf.« Ihre Hand berührte die Waffe in der Jackentasche, aber sie zog sie noch nicht hervor.
Er schüttelte den Kopf. »Das ist mein Wagen.«
»Du bekommst ihn zurück.«
»Was hast du vor?«
»Geht dich nichts an.«
»Du wolltest gerade mein Auto klauen. Jetzt soll ich es dir ausleihen. Und du sagst mir nicht mal, wohin du damit fahren willst?«
»Es ist besser, wenn du’s nicht weißt.«
Sie spannte sich ein wenig, als er näher kam, aber sein lässiger Schlendergang wirkte nicht bedrohlich.
Drei Schritte vor ihr blieb er stehen. »Was ist passiert, Rosa Alcantara?«
Er kannte sie.
»Ich schau mir die Nachrichten an«, erklärte er. »Dein Foto ist überall. Deins und das von deinem Freund. Versteckt er sich irgendwo hier draußen? Habt ihr gedacht, ohne ihn wäre es einfacher, mich für dumm zu verkaufen?«
»Er ist nicht hier. Ich brauche deinen Wagen, um zu ihm zu fahren.« Und hoffentlich behielt sie damit Recht. Alessandro musste dort sein. Dabei konnte sie sich ausrechnen, wie miserabel seine Chancen standen, von der Stabat Mater zu entkommen.
Sie zog die Waffe und richtete sie auf ihn.
Er wirkte kein bisschen überrascht. »Hat die Kleine nachgesehen, ob sie geladen ist?« Er lächelte, aber es sah traurig aus. » Du hast es nämlich nicht getan, darauf hab ich geachtet.«
»Lass es drauf ankommen.«
»Willst du mich wirklich erschießen? Für einen vierzig Jahre alten VW-Bus, der seit einer Ewigkeit nicht weiter gefahren ist als bis zum nächsten Supermarkt? Was glaubst du, wie lange der durchhält?«
Ihr wurde noch kälter, trotz der Jacke. Im Westen berührte die Sonne das Land. Das Licht der einbrechenden Dämmerung war feuerrot. Das spröde Gras, die Kirchenmauer, Lorenzos Augen – alles blutunterlaufen.
»Hast du den Schlüssel dabei?«, fragte sie.
»Kann sein.«
»Raffaela hat dich noch immer ziemlich gern. Sie wäre mir böse, wenn ich dir ins Bein schieße.«
»Falls du schießt. Und falls da eine Kugel drin ist.«
Sie trat einen Schritt zur Seite und winkte ihn zum Tor hinüber. »Mach das Schloss auf.«
Er blieb stehen, mit diesem idiotischen New-Age-Lächeln, als wollte er ihr ein Esoterikpamphlet andrehen.
»Lorenzo«, sagte sie leise. »Bitte.«
»Ich hab die Polizei angerufen.«
»Du lügst.«
»Kein bisschen.«
»Warum, verdammt?«
»Ich hab abgewartet, was du tust. Ich hätte sie nicht gerufen, wenn du nicht mit der Waffe abgehauen wärst. Wir kennen uns nicht mal, ich hab nichts gegen dich. Aber wenn du wirklich jemanden ermordet hast, dann will ich nicht, dass du mit meiner Pistole über die Insel fährst.«
»Das geht dich alles einen Scheiß an.«
»Die Waffe ist auf meinen Namen registriert. Ganz legal. Falls du damit irgendwen über den Haufen ballerst, was glaubst du wohl, wer einen Tritt in den Arsch bekommt?«
Wie viel Zeit war vergangen, seit er telefoniert hatte? Und wie lange würden die Streifenwagen brauchen, ehe sie hier waren? Kamen sie aus Palermo? Cefalù? Einer der kleineren Städte? Oder jagten sie ihr gleich die Anti-Mafia auf den Hals?
Festa würde es sich nicht entgehen lassen, ihr persönlich die Handschellen anzulegen. Genau wie Stefania Moranelli. Rosa hätte ihr die Augen zutackern sollen, als sie die Gelegenheit dazu gehabt hatte.
»Zum letzten Mal.« Die Kälte erfüllte jetzt ihren ganzen Oberkörper, die Haut auf ihren Handrücken kribbelte. »Mach das Tor auf.«
Er blickte über die Schulter zurück zur Ecke der Kirche. Keine der anderen tauchte dort auf. Zumindest Iole musste doch mitbekommen haben, dass er Rosa gefolgt war.
»Du hast sie eingeschlossen«, stellte sie fest.
»Sie sind nicht dämlich. Früher oder später finden sie das eine Gitterfenster, das man von innen öffnen kann. Aber ich dachte, so lange dauert das hier nicht. Wenn du so unschuldig bist, wie ein paar von den Leuten im Netz behaupten, dann stell dich der Polizei.«
»Wir haben die Richterin nicht getötet. Sie war fast so was wie« – sie zögerte – »eine Freundin.« Irgendwie. Ein
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