Arkadien 03 - Arkadien fällt
Blickfeld schob.
»Sie ist noch wach«, sagte Mirella.
Danai erwiderte etwas, das Rosa nicht verstand.
Das Blau überlagerte allmählich die Züge der Hybride. Rosa öffnete den Mund. Kein Laut drang hervor.
Wo ist er? , dachte sie dämmerig.
Wo ist
Wo
Eine Erschütterung weckte sie. Ihr Kopf zuckte nach oben, fiel zurück und krachte schmerzhaft auf harten Untergrund.
Ein ohrenbetäubendes Knirschen und Brummen wurde von metallischem Trommeln übertönt. Um sie herrschte flackerndes Halblicht, mal heller, dann wieder düster.
Sie lag auf der Ladefläche eines Kleintransporters, durch die Ritzen einer festgezurrten Plane blitzte stroboskopartig Tageslicht.
Ihre Arme und Beine waren gefesselt, nicht nur an den Gelenken, sondern eng miteinander und am Körper verschnürt. Sie lag auf dem Rücken, unmittelbar neben einem Radkasten. Aufstiebende Steinchen spritzten im Inneren gegen das Metall, was den höllischen Lärm erklärte. Der Wagen fuhr über raues Gelände und rumpelte durch Schlaglöcher. Ihr Körper fühlte sich an, als wäre sie verprügelt worden, aber womöglich lag das nur daran, dass sie von den Erschütterungen umhergeworfen wurde. Wer weiß, wie lange schon.
Vorsichtig hob sie den Kopf, schaute an sich hinunter, dann zur Seite.
Und da lag er. In ihrer Brust explodierte Hitze, als müsste sie in Flammen aufgehen.
» Alessandro! «
Wie sie selbst war er fest mit einer Schnur aus Kunststoff umwickelt. Sand klebte in seinem dunklen Haar. Auch er lag auf dem Rücken, seine Augen waren geschlossen, sein Gesicht angespannt.
»Alessandro?«
Er bewegte sich, aber das waren nur die Stöße des Untergrunds, das Beben des Fahrzeugs auf holpriger Piste.
Verzweifelt versuchte sie näher an ihn heranzurücken. Sie musste ihren Arm in den Fesseln verbiegen und die Finger spreizen, um seine Hand zu erreichen. Es war wie ein Stromstoß, als ihre Fingerspitzen sich endlich berührten.
»Er schläft«, rief eine weibliche Stimme über den Lärm hinweg. »Er hat die dreifache Dosis des Betäubungsmittels im Blut, außerdem eine ordentliche Portion von dem Serum. Er war ziemlich widerspenstig, hat herumgetobt bis zuletzt. Irgendwann hatte ich genug davon.«
Erst jetzt registrierte sie, dass es eine breite Öffnung zwischen Ladefläche und Fahrerraum gab. Rosa lag mit den Füßen in Fahrtrichtung. Über die Rückenlehne hinweg schaute Danai sie an, das wunderschöne Puppengesicht gerötet von Stressflecken. Mit all ihren Beinen konnte es auf der Rückbank nicht bequem sein.
Die Hybride hielt etwas hoch, das entfernte Ähnlichkeit mit einem Dartpfeil hatte. Eines dieser Dinger musste sie mit der Pistole in Rosas Rücken geschossen haben. »Ein Kombipräparat aus Betäubungsmittel und TABULA-Serum«, sagte sie und hob mit der anderen Hand einen Injektor. »Bis wir unser Ziel erreicht haben, bekommt ihr jede Viertelstunde eine Dosis von mir. Du hast eine ziemliche Impfreaktion am Unterschenkel, fürchte ich. Eigentlich müsste es schrecklich jucken.«
Rosa spürte es, hatte aber gerade andere Probleme.
»Sieh mich nicht so an«, sagte die Hybride. »Er ist nur betäubt. Wäre ja auch schade um ihn.«
Rosas Finger lagen immer noch an seinen und das Lodern in ihrem Oberkörper ließ nicht nach. Mit einer Verwandlung hatte das nichts zu tun. Nur mit ihm. Am Ende hatte alles mit ihm zu tun, was sie sagte, was sie dachte, was sie fühlte. Sogar ihr Hass auf Danai speiste sich viel stärker aus der Angst um ihn als um sich selbst.
»Wie habt ihr mich gefunden?«, brachte sie rau hervor.
Danai deutete zum Himmel, zu einem unsichtbaren Satelliten, dann hob sie ein Laptop vom Sitz neben sich. »Wir haben dich nie aus den Augen gelassen. Das Boot, die Kirche, dein Ausflug zur Station. Wir waren immer bei dir.«
»Wohin fahren wir?«
»Kannst du dir das nicht denken?«
»Du willst uns wirklich an ihn ausliefern?«, stieß Rosa aus. »An den Hungrigen Mann? Vielleicht könnt ihr ihn töten, aber ihr werdet nie alle Dynastien –«
Danai unterbrach sie. »Lass das meine Sorge sein.«
Erneut hob Rosa den Kopf und versuchte zu erkennen, wer sich noch mit im Wagen befand. Danai war allein auf der Rückbank, aber vorne am Steuer saß Mirella.
»Wollt ihr zwei ihn allein fertigmachen?« Rosa funkelte Danai wütend an. »Toller Plan.«
»Du verstehst das nicht.«
»Er wird euch –«
»Herrgott, Rosa!«, fiel Danai ihr ins Wort und die Stressflecken leuchteten kräftiger. »Niemand hat vor, den Hungrigen
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