Arkadien 03 - Arkadien fällt
ihm davongeflogen.
Auf die Frage, wie die Vögel ausgesehen hätten, antwortete einer der Augenzeugen: »Es waren Eulen. Eulen so groß wie Menschen.«
Rosa sah Alessandro an.
»Saffira und Aliza Malandra waren damals noch zu jung«, sagte er, »aber ihr Clan ist seit Generationen dafür bekannt, Mordaufträge anzunehmen. Vor allem dann, wenn man Verwirrung stiften und von der Mafia ablenken will.«
»Haben sie mal für deinen Vater gearbeitet?«
»Keine Ahnung. Aber wenn der verschwundene Junge tatsächlich Fundling war, dann fällt mir kein anderer Grund ein, warum er schließlich bei uns gelandet sein sollte. Wahrscheinlich wussten die Harpyien nicht, was sie mit ihm anfangen sollten. Die meisten Malandras sind nicht gerade Genies. Sie führen nur Befehle aus. Die Anwesenheit des Kleinen hat sie vielleicht verwirrt. Um nichts falsch zu machen, haben sie ihn mitgenommen.«
»Und deine Mutter hat ihn gerettet.«
»Ab dem Punkt stimmt die Geschichte wahrscheinlich wieder. So haben sie es jedenfalls Fundling und mir erzählt.«
»Aber warum sollte dein Vater den Befehl gegeben haben, Mori zu töten? Er muss irgendwas rausgefunden haben. Etwas, das die Carnevares nicht dulden konnten.«
»Die Wahrheit über die Dynastien?«
»Wäre eine Möglichkeit.«
»Und was haben die Löcher in der Menge damit zu tun?«
»Vielleicht gar nichts. Oder doch. Keine Ahnung. Solange wir nicht wissen, was dahintersteckt, sind das alles nur Mutmaßungen.« Rosa erinnerte sich noch an etwas anderes. »Salvatore Pantaleone hat auch mal etwas über die Löcher in der Menge gesagt. Über sie und über TABULA. Das war kurz vor seinem Tod.« Der frühere capo dei capi hatte beide Begriffe in einem Atemzug erwähnt, und sie fragte sich nun, ob das nicht mehr als nur ein Zufall gewesen war.
Sie blätterte um, aber es gab keine weiteren Artikel. Dies schienen alle Berichte zu sein, die Fundling über den Fall hatte finden können.
»Er muss irgendwann beschlossen haben, nach diesem Hotel zu suchen, aus dem die Leute meines Vaters ihn angeblich gerettet hatten.« Alessandro drehte sich in der Hocke zu Rosa und strich mit beiden Händen über ihre Oberschenkel. Sie legte das Album beiseite und streichelte sein Haar.
»Es wird alles immer verrückter«, sagte sie leise. »Als wäre das mit uns nicht schon irre genug.«
Seine Grübchen vertieften sich. Das Grün seiner Augen war bodenlos. »Je wahnsinniger alles um uns herum wird, desto normaler komme ich mir selbst vor. Mafiaboss mit achtzehn? Gestaltwandler? Verliebt in die eindeutig verrückteste Rosa der Welt? Alles ein Klacks gegen dieses Irrenhaus da draußen.«
Sie küsste ihn auf die Stirn, auf die Nasenspitze, dann presste sie ihre Lippen auf seine. Ihr Kuss war lang und tief, während seine Finger langsam an ihren nackten Schenkeln emporwanderten, den Saum ihres Kleides berührten, bald an ihren Hüften lagen.
Irgendwo in der Ferne heulte eine Polizeisirene, weit entfernt in der Dunkelheit. Sie galt nicht ihnen, aber das Geräusch weckte die Lebensgeister ihrer Gefangenen im Kofferraum. Es polterte laut und sie hörten gedämpftes Gebrüll.
»Mist«, flüsterte Rosa. »Die hätte ich fast vergessen.«
»Unten an der Küste verkaufen wir sie an einen algerischen Gangster«, sagte Alessandro laut in Richtung des Kofferraums. »Vielleicht steckt er sie in seinen Harem.«
Dafür erntete er eine dumpfe Tirade aus Flüchen und Beleidigungen.
Rosa neigte den Kopf. » Unten an der Küste? Was ist mit Iole und den anderen?«
»Ich glaube nicht, dass deine Leute die Insel lange besetzt halten.« Er küsste nacheinander ihre Knie. »Sie wollten verhindern, dass wir uns dort verstecken. Wahrscheinlich wird auch die Polizei irgendwann auftauchen. Wenn uns keiner dort findet, werden sie allesamt wieder abziehen. Falls uns einfällt, wie wir Iole vorher helfen können, tun wir das. Aber im Augenblick müssen die drei allein zurechtkommen.«
Manchmal fiel es ihr so leicht, in seinen Augen zu lesen – und dann wieder wurde sie nicht schlau aus ihm. »Aber davonlaufen willst du auch nicht. Sonst wären wir längst unterwegs nach Syrakus, zu diesen Tickets und den falschen Papieren.«
»Das würde nur alles bestätigen, was sie von uns erwarten. Dass wir schwach sind. Dass wir es nicht verdient haben, capi unserer Clans zu werden.«
»Du kannst es nicht lassen, hm?«
»Und du?«
Sie seufzte leise. »Fundling hat uns das Leben gerettet. Wir sind ihm das schuldig, finde ich.«
»Du
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