Arkadien 03 - Arkadien fällt
Erregung. Als sie die Augen öffnete, trafen sich ihre Blicke, beide mussten lachen, aber das nahm ihrer Leidenschaft nicht die Intensität.
Seine Hände bewegten sich über die Rundungen ihrer kleinen Brüste, umfassten ihre Taille, wanderten abermals tiefer. Langsam rollte sie sich auf den Rücken. Ihre Finger fuhren in sein Haar, packten seine Schultern. Er war jetzt über ihr, ganz und gar Mensch, und sie erwiderte sein Drängen mit Ungestüm, umschloss ihn mit ihren Beinen und fühlte sich für eine Weile nicht mehr blass und schmal und klein, sondern schön und stark und zum Totheulen glücklich.
»Was treibt ihr denn die ganze Zeit?«, fragte Stefania, als Rosa den Kofferraum öffnete. Die Polizistin kniff geblendet die Augen zusammen. »Ich dachte schon, ihr wäret ohne mich abgehauen.«
Rosa spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen, als sie die Polizistin in Embryonalstellung vor sich liegen sah. Ihre Fußknöchel waren noch immer mit Handschellen gefesselt, aber sie hatten ihre linke Hand befreit und nur die rechte an einer eisernen Öse befestigt. Mehr Bewegungsfreiheit gab ihr das nicht, aber zumindest konnte sie sich kratzen, wenn ihr danach war.
»Sie hätten uns nicht anlügen sollen«, sagte Rosa.
»Hab ich nicht. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass sie mit einer Spezialeinheit anrücken? Ich war ja wohl kaum dabei, als sie das beschlossen haben.«
»Unterbesetzt, haben Sie gesagt. Nicht genug Leute, haben Sie gesagt.« Rosa hielt ihr zwei tramezzini entgegen, Weißbrotsandwiches aus dem Dorfladen. »Hier«, sagte sie, »wir sind nicht nachtragend. Nicht sehr.«
»Ich schon«, rief Alessandro nach hinten. Er saß bei offener Fahrertür hinterm Steuer und sah sich die Karten an, die er im Seitenfach des Wagens gefunden hatte.
Stefania nahm die belegten Brote entgegen und begann zu essen. Rosa stellte ihr eine Wasserflasche in den Kofferraum.
»Ihr könnt mich tagsüber nicht hier drinnen lassen«, sagte Stefania kauend. »Habt ihr eine Ahnung, wie scheißheiß das wird?«
Rosa hatte schon daran gedacht, aber noch keine Lösung gefunden. Am Ende würde ihnen wahrscheinlich nichts übrig bleiben, als sie wieder auf die Rückbank zu verfrachten. Oder laufenzulassen.
Sie lehnte sich gegen das linke Rücklicht des Volvo und blickte auf ihre Gefangene hinab. »Wie war sie so? Privat, meine ich.«
»Quattrini?«
Rosa nickte, zog den Anhänger der Richterin unter ihrem Kleid hervor und drehte ihn in den Fingern.
Stefania hörte für einen Moment auf zu essen, als sie das Schmuckstück an Rosa entdeckte. »Hast du reingeschaut?«
»Bisher nicht.«
»Sie hat uns nie verraten, wessen Bild darin ist.«
»Sie mochte Katzen.« Rosa erinnerte sich an ihr erstes Gespräch mit der Richterin, im Hotel am Pantheon in Rom. »Aber sie hat eine Menge von ihnen überfahren, bei der Jagd auf Mafiosi. Das hat sie mir damals gesagt.«
»Damit weißt du alles über sie, was wichtig ist.« Stefania schraubte mit links die Flasche auf, trank aber noch nicht. »Sie hätte alles geopfert, um den Clans das Handwerk zu legen. Dass euer capo dei capi aus dem Gefängnis entlassen wird und nach Sizilien zurückkehren darf, hat sie ganz irre gemacht vor Wut.«
Die Rückkehr des Hungrigen Mannes stand kurz bevor, mittlerweile berichteten auch die Medien darüber. Allerdings nur in knappen Meldungen, so als wäre das etwas, das im Grunde niemanden interessieren könnte. Solange die Politiker, die in Italien das Fernsehen und viele Zeitungen kontrollierten, ihre Karriere den Geschäften mit der Mafia verdankten, wurde weiterhin viel Dreck unter den Teppich gekehrt. Dass der ehemalige Boss der Bosse nach drei Jahrzehnten Haft vorzeitig freikommen sollte, war ein weiterer Rückschlag für die Justiz und ein Sieg der Korruption und Vetternwirtschaft. Rosa konnte nachvollziehen, warum Quattrini das um den Schlaf gebracht hatte.
»Hatte sie Kinder? Einen Mann?«
»Sie war geschieden, schon seit Jahren. Keine Kinder. Sie hat nur für diesen Job gelebt. Ein Hoch auf alle Bullenklischees.« Stefania blinzelte erneut, als sie zu Rosa aufsah. »Findest du es eigentlich nicht seltsam, dass wir über sie reden, als wäre sie so was wie unsere gemeinsame Freundin? Ich meine, obwohl wir auf unterschiedlichen Seiten stehen, du und ich.«
»Ich bin nicht auf der Seite des capo dei capi «, widersprach Rosa kopfschüttelnd.
»Und trotzdem liege ich gefesselt in deinem Kofferraum.«
»Irgendeine bessere Idee?«
Von vorn
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