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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Antike, und sein König Lykaon sich mit Zeus angelegt hat, als er ihm Menschenfleisch serviert hat. Zeus wurde wütend, verfluchte Lykaon und sein ganzes Volk gleich dazu. Alle wurden zu Gestaltwandlern, halb Mensch, halb Tier. Blablabla … Die alte Geschichte eben, mehr oder minder so, wie wir sie kennen.«
    Ein Zug donnerte in der Gegenrichtung an ihnen vorüber, und einen Moment lang erzitterte ihr Waggon, als müsse er von den Schienen springen.
    »Viel interessanter ist doch, dass Mori offenbar dieselben Dinge herausgefunden hat, die Trevini mir erzählt hat: dass Lykaon von einer der mächtigsten Familien Arkadiens vom Thron gestürzt wurde. Mori scheint aber nicht gewusst zu haben, dass es Lamien waren, jedenfalls erwähnt er es mit keinem Wort. Er behauptet, es sei nach Lykaons Sturz zu einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg gekommen, auf der einen Seite die Aufrührer – also meine Vorfahren –, auf der anderen Seite die Panthera. Deine Familie hatte es offenbar schon ziemlich lange auf uns abgesehen.«
    »Das dürfte dann der Grund sein, weshalb der Hungrige Mann die Carnevares anfangs zu seinen engsten Vertrauten gemacht hat. Bis zu seiner Verhaftung, heißt das. Panthera und Lamien wurden Feinde, als ihr Lykaon gestürzt habt.« Er zuckte die Achseln. »Aber ich nehme mal an, es ging nicht um Lykaon selbst, sondern darum, wer den nächsten König stellt. Ihr oder wir.«
    »Mori behauptet, schließlich habe es ein Friedensabkommen gegeben – allerdings erst, nachdem das Reich durch den Krieg verwüstet und die halbe Bevölkerung ausgerottet war. Lykaon war zu diesem Zeitpunkt längst tot, wahrscheinlich hatten die Lamien ihn gleich zu Beginn der Rebellion ermordet. Jahrzehnte, vielleicht auch Jahrhunderte vergingen, ehe beide Seiten schließlich im größten arkadischen Heiligtum einen neuen Frieden schlossen.«
    »Was für ein Heiligtum?«
    »Steht hier nicht. Jedenfalls –«
    Sie wurde unterbrochen, als mit einem Ruck die Abteiltür aufgeschoben wurde. Alessandro war schon halb auf den Beinen, als der Schaffner sagte:
    »Guten Abend. Die Fahrkarten, bitte.«
    Alessandro entspannte sich ein wenig und zog die Geldbörse aus der Reisetasche. »Wir müssen noch Karten lösen, für uns beide. Bis Syrakus.«
    Der grauhaarige Mann gestikulierte mit seiner altmodischen Fahrkartenzange den Gang hinunter. »Ich hab kein Wechselgeld dabei. Auf dem Rückweg komme ich noch mal vorbei, in Ordnung?«
    »Wir laufen Ihnen nicht weg«, sagte Rosa müde.
    Der Schaffner verließ das Abteil und schloss die Schiebetür. Mit hängenden Schultern setzte er seinen Weg durch den leeren Waggon fort.
    »Hat er uns erkannt?«, fragte sie.
    »Sah nicht so aus.«
    Sie machte für einen Moment die Augen zu und ließ sich gegen die niedrige Rückenlehne sinken.
    Alessandro stand auf und küsste sie. »Tut mir leid«, sagte er, »dass du in das alles hineingezogen worden bist.«
    »Es war meine Entscheidung, auf Sizilien zu bleiben.« Sie legte eine Hand in seinen Nacken und gab ihm einen zweiten, sehr viel längeren Kuss. Seine Lippen waren trocken und rissig geworden, aber es waren die einzigen, die sie je wieder küssen wollte.
    Schließlich ließ er sich zurück auf seinen Platz fallen, fuhr sich durchs Haar und verschränkte die Hände hinterm Kopf. »Und was ist dann passiert? Nach diesem Friedensschluss?«
    »Das war alles. Mori spekuliert noch ein bisschen, was aus den Arkadiern geworden sein könnte. Dass ihre Nachfahren im Geheimen weiter existieren und sie vielleicht irgendwann wieder ihr wahres Gesicht zeigen könnten. Im Kern ziemlich genau das, was der Hungrige Mann heute plant. Nur sind das bei Mori nichts als Vermutungen.« Sie legte die ausgerissenen Buchseiten zurück in die Reisetasche und hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie für so wenig Neues das wertvolle Exemplar des Antiquars ruiniert hatte – falls er nicht noch eine Kiste davon im Keller hatte.
    Draußen vor dem Fenster war die Landschaft schon vor einigen Kilometern rauer und felsiger geworden. Immer wieder versperrten steile Böschungen den Blick, erst unter struppigem Buschwerk, dann kahl und grau im Lichtschein der vorüberhuschenden Abteilfenster.
    Einmal ertönte ein lang anhaltendes Rattern, das sich vom Geräusch der Fahrwerke unterschied. Als hätte sie ein Hubschrauber überflogen.
    »Mir gefällt das nicht«, sagte sie.
    »Der Schaffner?«
    Sie stand auf. »Wenn er die Polizei alarmiert, werden die am nächsten Bahnhof auf uns warten.«

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