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Arkadien 03 - Arkadien fällt

Arkadien 03 - Arkadien fällt

Titel: Arkadien 03 - Arkadien fällt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Mit einem Schritt war sie an der Tür, öffnete sie und blickte vorsichtig in beide Richtungen.
    Der Gang neben den Abteilen kam ihr dunkler vor als bei ihrem Einstieg. Als wäre das Licht gedimmt worden.
    »Lass uns verschwinden«, sagte sie, wollte sich umdrehen, aber da war er samt Tasche schon neben ihr.
    »Rechts oder links?«
    »Der Schaffner ist nach links.«
    Sie wandten sich nach rechts und eilten den Gang hinunter bis zur Verbindungstür zum nächsten Waggon. In dem schmalen Übergang war der Lärm der Räder auf den Schienen ohrenbetäubend. Die Ziehharmonikawände aus Kunststoff bebten wie das Innere eines Organs.
    Sie betraten einen kleinen Vorraum mit versiegelter Toilettenkabine, dann einen Großraumwagen. Die harten Plastiksitze waren verlassen bis auf zwei Plätze am anderen Ende. Zwei Köpfe wippten dort leicht hin und her, als wären sie auf Pfähle gespießt. Als sich einer der beiden Fahrgäste erhob, stellte Rosa erleichtert fest, dass es eine kleine, alte Frau war, mit breitem Hut. Sie kam ihnen entgegen und stützte sich dabei an den Sitzlehnen ab, um die Erschütterungen der Fahrt auszugleichen. Rosa überlegte, ob sie ihr sagen sollte, dass die Toilette defekt war, ließ sie dann aber schweigend passieren.
    Der Mann auf dem Platz neben der Frau war jünger, vielleicht ihr Sohn. Er blickte auf und musterte Rosa in ihrem hautengen schwarzen Kleid ganz ungeniert. Sie war froh, als sie den Waggon verließen und den nächsten Großraumwagen betraten. Hier saßen mehr Passagiere, sechs oder sieben.
    »Lass mich vorgehen.« Alessandro schob sich an ihr vorbei.
    Sie folgte ihm zwischen den Sitzreihen hindurch. Die meisten Fahrgäste dösten vor sich hin, abgesehen von zwei jungen Frauen, die in ihrem Gespräch innehielten, als Alessandro und Rosa an ihnen vorübergingen.
    Der nächste Waggon war der letzte des Zuges. Er besaß keine Sitzreihen, nur ausklappbare Metallhocker an den Wänden. Ein paar Kisten und große Kartons standen am anderen Ende. Daneben saß ein Zugbegleiter in Uniform. Er blickte von einer Zeitschrift auf und rief: »Habt ihr das Schild an der Tür nicht gesehen? Kein Eintritt für Fahrgäste.«
    Alessandro murmelte eine Entschuldigung, um unnötigen Ärger zu vermeiden, und trat als Erster zurück in den Waggon, den sie gerade erst durchquert hatten.
    »Da ist kein Schild an der Tür«, flüsterte Rosa.
    Die beiden jungen Frauen schauten abermals auf. Im Neonschein sahen ihre Gesichter so blass aus wie die Felsen vor den Fenstern.
    Der Zug verließ eine Schneise zwischen hohen Abhängen. Erneut rollte eine Scherenschnittlandschaft vorüber wie schwarze Theaterkulissen.
    »Wir fahren langsamer«, sagte Rosa.
    Einen Augenblick später wurde es draußen stockfinster. Der Zug donnerte in einen Tunnel.
    Sie hatten die Verbindungstür zum nächsten Waggon beinahe erreicht, als ein heftiger Ruck sie von den Füßen riss. Rosa konnte sich gerade noch an einer Lehne festhalten und fiel auf zwei leere Sitze. Alessandro stolperte vornüber, landete auf allen vieren und war sofort wieder auf den Beinen. Bremsen kreischten. Fahrgäste stießen erschrockene Rufe aus.
    Sie rappelte sich hoch. »War das die Notbremse?«
    »Jedenfalls bleiben wir stehen.«
    Mitten im Berg kamen die Waggons zum Stillstand.
    Weiter vorne rief jemand etwas, das Rosa nicht verstand. Dann gellte ein Schrei.
    Alle Lichter erloschen.

Im Tunnel
    D er Waggon versank in Dunkelheit. Das Letzte, was Rosa sah, war eine der jungen Frauen, die von ihrem Platz aufsprang. Dann hörte sie schnelle Schritte, die durch den Mittelgang näher kamen.
    »Alessandro! Da kommt –«
    Sie brach ab, als sie merkte, dass die beiden aufeinanderprallten. Rosa war drauf und dran sich zu verwandeln, aber dann hörte sie, wie Alessandro beruhigend auf jemanden einredete.
    »Ist ja gut. Sie brauchen keine Angst zu haben. Das Licht geht sicher gleich wieder an.«
    Dazwischen erklang das Wimmern der Frau, sie weinte vor Angst. Ihre Begleiterin rief hinten im Waggon nach ihr.
    »Gehen Sie zurück zu Ihrer Freundin«, sagte Alessandro. »Das hier ist gleich vorbei.«
    Aber natürlich war es das nicht. Es hatte kaum richtig begonnen.
    Erneut brüllte jemand markerschütternd im vorderen Teil des Zuges, bald ertönten weitere Schreie. Daran konnte nicht allein die Finsternis schuld sein.
    Das Schluchzen der jungen Frau entfernte sich wieder nach hinten. Rosa hörte sie schneller werden, dann ein Stolpern, gefolgt von einer fluchenden männlichen

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