Arkadien 03 - Arkadien fällt
beiden einen Wink. »Er will euch jetzt sehen.« Sie selbst blieb draußen, während Rosa und Alessandro den Raum betraten.
Jemand hatte versucht, das Krankenzimmer so luxuriös wie möglich auszustatten, doch das unterstrich nur die Tatsache, dass dies kein Ort war, an dem man sich freiwillig einquartierte.
Danai stand neben dem Bett, den Reifrock gegen den Rahmen gepresst, um dem Mann auf den Kissen so nah wie möglich zu sein. Sie hielt seine Hand, während eine Krankenschwester vor einer Reihe von Touchscreens saß und offenbar Infusionen programmierte. Unter dem Rock ihrer weißen Schwesterntracht schaute ein langer Katzenschwanz hervor, sein Ende pendelte eine Handbreit über dem Boden.
Ganze Bündel aus Schläuchen führten aus Beuteln mit Flüssigkeit zum Bett und verschwanden unter der Decke.
Der alte Mann musterte die beiden. Sein hellwacher Blick bildete einen Gegensatz zum Rest seiner Erscheinung. Die weiße Bettdecke war bis zur Brust hochgezogen, seine knochigen Glieder zeichneten sich scharf umrissen darunter ab. Immerhin schien er kein Arachnid zu sein wie seine Tochter.
Ohne die Besucher anzusprechen, wandte er sich an seine Pflegerin und gab ihr ein Zeichen. Sie ließ von den Computern ab und schlug die Decke zurück. Rosa hielt instinktiv die Luft an, aber als sie wieder einatmete, roch es nur nach Chemie.
»Ich bin kein Hybrid«, sagte er in perfektem Italienisch. »Das ist es, was ihr euch gefragt habt, nicht wahr?«
»Sie schulden uns zwar Erklärungen«, sagte Alessandro, »aber darüber am allerwenigsten.«
Thanassis schenkte ihm ein wohlwollendes Lächeln. Der alte Mann sah aus, als hätte er vor Jahren allerlei Schönheitsoperationen über sich ergehen lassen, deren Wirkung längst ins Gegenteil umgeschlagen war. Falten waren an den falschen Stellen entstanden, Narben unter seinem Haaransatz sichtbar geworden, Straffungen in sich zusammengefallen. Er mochte einmal großen Wert auf sein Äußeres gelegt haben, doch das war vorbei. So wie das Leben an Bord der Stabat Mater war auch seine Erscheinung in Unordnung geraten.
»Ich habe von euch gehört.« Er gab der Pflegerin einen Wink, und sie deckte ihn wieder zu. Danai hielt reglos seine Hand. »Tatsächlich ist es dieser Tage schwer, nicht von euch zu hören.«
»Wir haben uns das nicht ausgesucht«, sagte Rosa.
»Wisst ihr schon, dass eure Schuld am Tod der Richterin mittlerweile angezweifelt wird? Natürlich sucht man euch noch immer, aber es gibt forensische Experten, die der Meinung sind, Quattrini sei von einem Tier getötet worden. Von eindeutig nicht menschlichen DNA-Spuren ist da die Rede, ganz abgesehen von der Art der Wunden.«
Die beiden wechselten einen Blick. An ihrer Lage änderte das vorerst überhaupt nichts.
»Sei’s drum«, sagte Thanassis. »Das Sprechen strengt mich heutzutage mehr an, als mir lieb ist. Verschwenden wir keine Zeit. Stellt mir eure Fragen.«
»Warum haben Sie uns herbringen lassen?«
»Erstens: Ich war neugierig. Zweitens: Ich brauche eure Hilfe.«
Rosa lachte leise. » Unsere Hilfe.«
»In gewisser Weise, ja.« Ein Husten hielt ihn davon ab fortzufahren. Eines der zahllosen Instrumente neben dem Bett piepste hektischer, beruhigte sich aber gleich wieder. »Die Arkadischen Dynastien befinden sich im Umbruch. Großes geschieht, nichts Gutes, aber Bedeutsames. Der Hungrige Mann hat schon vor Tagen das Gefängnis verlassen und ist zurück auf Sizilien. Die Harpyien hätten euch zu ihm gebracht, falls sie euch nicht gleich umgebracht hätten. Wir wissen, was geschehen ist. Aber der Tod der beiden Malandra-Schwestern hat die Dinge verkompliziert, für euch und für ihn. Er ist ein alter Mann wie ich, und seine Erfahrungen im Umgang mit jungen Arkadiern liegen lange zurück. Früher gab es keinen Widerstand gegen seine Entscheidungen, keine offene Auflehnung. Er hat euch unterschätzt, als er die beiden Schwestern auf euch angesetzt hat. Aber es ist äußerst beruhigend, dass er bereits so früh nach seiner Machtergreifung den ersten gravierenden Fehler gemacht hat.«
»Stehen denn die Clans wirklich alle hinter ihm?«, fragte Alessandro.
»Sehr viele. Manch einem ist es leichter gefallen, ihn abzulehnen, als der Hungrige Mann noch hinter Gittern saß. Aber nun, da er zurückgekehrt ist, zollt ihm ein capo nach dem anderen Tribut. Einige, die sich weigerten, sind in den letzten zwei Tagen auf unschöne Weise ums Leben gekommen. Die Suche nach euch ist nicht das Einzige, was ihn derzeit bewegt.
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