Arkadien 03 - Arkadien fällt
gepumpt wurden. »Er war ein Tyrann der übelsten Sorte, und als die Lamien ihn schließlich von seinem Thron stürzten, war wohl keiner besonders traurig darüber. Es heißt, Lykaon sei gevierteilt und seine Überreste an allen Küsten Arkadiens in die See geworfen worden. Obwohl ich es für wahrscheinlicher halte, dass man ihm schlichtweg den Schädel eingeschlagen hat und die Leiche im nächstbesten Feuer gelandet ist.
Wie dem auch sei, Lykaon war tot und die Lamien beanspruchten den Thron für sich. Die Panthera aber waren stets seine Verbündeten gewesen und ihre Macht eng an ihn gebunden. Ihnen war klar, dass sie ihre Privilegien verlieren würden, wenn die Gegner Lykaons erst die Herrschaft an sich gerissen hätten. Deshalb beschuldigten sie die Lamien des Hochverrats, reklamierten den Nachlass des ermordeten Königs für sich und erklärten sich selbst zu seinen legitimen Nachfolgern. Was als eine Art Erbschaftsstreit begonnen hatte, wurde innerhalb kurzer Zeit zu einem Flächenbrand, der ganz Arkadien erfasste. Es kam zu einem furchtbaren Bürgerkrieg, der Jahrzehnte andauerte. Arkadien ging daran fast zu Grunde. Städte, Dörfer, selbst die abgelegensten Landstriche wurden verwüstet, ihre Bewohner niedergemetzelt.
Zu guter Letzt siegte nicht eine der beiden Seiten, sondern die Vernunft. Alle erkannten, dass nichts und niemand übrig bleiben würde, wenn das Blutvergießen kein Ende nähme. Die Überlebenden des Krieges, so heißt es, wandten sich an die Götter und flehten sie um Schlichtung des Konflikts an. Der gute Rat von oben ließ dann auch nicht lange auf sich warten.
Als Erstes bekamen die Arkadier von den Göttern den Auftrag, dem toten Lykaon in gemeinschaftlicher Arbeit ein monumentales Grabmal zu errichten. Diese Aufgabe sollte die verfeindeten Gruppen einen. Das scheint auch gelungen zu sein, denn auf die Erbauung des Grabes folgte der nächste Schritt. Es wurde entschieden, dass Lamien und Panthera, die Anführer der streitenden Armeen, sich die Herrschaft über das Reich teilen sollten. Nicht einen einzelnen König sollte es geben, sondern ein Tribunal, das sich aus Vertretern beider Dynastien zusammensetzte. Gemeinsam wollten sie den Wiederaufbau der zerstörten Städte vorantreiben und das Reich Arkadien zu neuer Blüte führen.
An ihre Hilfe und ihr Wohlwollen knüpften die Götter eine Bedingung: Niemals dürfe ein gemeinsames Kind von Lamien und Panthera geboren werden. Die Familien sollten Seite an Seite herrschen, jedoch auf gar keinen Fall zu einer einzigen Dynastie zusammenwachsen. Eine so große Machtfülle hätte sie verleiten können, die Götter selbst in Frage zu stellen – kein so abwegiger Gedanke, wenn man sich die römische Geschichte oder auch die des alten Ägyptens anschaut.
Um diesen Pakt zu besiegeln, wurde ein großes Fest angekündigt, verbunden mit einer Zeremonie als Beweis der neuen Einigkeit. Vollzogen wurde sie am eben errichteten Grabmal des Lykaon, dem Grundstein für das neue Arkadien.
Das waren grausame Zeiten damals, ein Menschenleben bedeutete nicht viel und Verträge wurden in Blut geschrieben. Man entschied, dass nur ein Menschenopfer genug Gewicht besäße, um als Sinnbild für den Pakt der Dynastien in die Geschichte einzugehen. So wurden auf den Stufen des Grabmals eine hochgestellte Tochter der Lamien und ein Sohn der Panthera miteinander vermählt – um gleich darauf geopfert zu werden, so dass alle mit ansehen mussten, wozu eine solche Verbindung führen würde. Die Lamia wurde gezwungen, erst ihren Bräutigam und dann sich selbst zu töten. So demonstrierten beide Clans ihren bedingungslosen Willen, dem Aufstieg Arkadiens zu dienen.«
Thanassis hielt inne, saugte rasselnd die Luft ein und schien für eine Weile kaum in der Lage zu sein, weiterzusprechen. Nach einer Pause setzte er abermals an: »Nun, die Menschen damals haben drastische Inszenierungen zu schätzen gewusst. Andererseits: Hätten alle einfach nur einen Vertrag unterschrieben, wer weiß, ob wir uns dann heute, Jahrtausende später, noch erinnern würden. Ein blutiges Spektakel ist schon immer der eindrucksvollste Weg gewesen, um die Zeitalter zu überdauern. Würde sonst irgendwer noch Herodes kennen? Oder Nero und Caligula?«
Rosas Blick traf Alessandros. »Sie musste erst ihn töten und dann sich selbst?«
»Die Geschichte ist noch nicht vorbei«, sagte Thanassis, nachdem Danai einen Becher mit Wasser an seine Lippen geführt und er in langsamen Schlucken getrunken
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