Arkonadas Totenbuch
hindurch, bevor er weiterging, den Platz betrat und den Brunnen anvisierte. Der war sechseckig angelegt worden und bestand aus einem hellen Stein. Ihn umgab ein breiter Rand, und wie zum Hohn schaukelte ein leerer Eimer über dem Gestell. Suko hatte sich dem Brunnen auf etwa vier Schritte genähert, als es geschah.
Plötzlich erschien die Gestalt. Sie tauchte aus der Tiefe des Schachts nach oben, trug wieder die dunkle Kapuze, unter der bleich das Gesicht schimmerte, und Suko erkannte sehr deutlich auf beiden Wangen die dicken, roten Striche.
Elis Zeichen…
Ihr Diener war es, der seinen Oberkörper Stück für Stück aus dem Brunnen hinausschob. Suko war nicht mehr weiter gelaufen. Er wunderte sich darüber, daß dieser Mensch sich so frei zeigte. Das war er nicht gewohnt. Normalerweise arbeiteten Dämonendiener heimtückischer und auch rücksichtsloser.
Weshalb hier nicht?
Vielleicht lag es an der Hitze, daß Sukos inneres Warnsystem nicht so exakt funktionierte. Jedenfalls schob sich der andere weiter aus dem Brunnen hervor, und erst als er fast in seiner gesamten Körpergröße zu sehen war, stellte Suko fest, daß etwas nicht stimmte. Es war vielleicht die arrogant wirkende Reaktion des Brunnenkletterers, die Suko aufmerksam werden ließ.
Er fuhr herum.
Das Knochenmesser flog bereits auf ihn zu. Dahinter sah er die zweite Gestalt, die es geschleudert hatte, wie einen nach vorn gebeugten Schatten, und Suko, der sich zur Seite werfen wollte, schaffte es nicht mehr.
Das schmale, aber höllisch scharfe Messer erwischte ihn in der linken Schulter, allerdings mehr der Brust zu, wo es zudem noch tief eindrang. Auch ein Kämpfer wie Suko zeigte sich geschockt. Er blieb zwar auf den Beinen, spürte auch noch keinen Schmerz, brauchte aber Sekunden, um sich wieder zu fangen.
Und da war der Brunnenkletterer schon heran.
Suko hörte ihn, reagierte genau richtig, indem er zu einem gewaltigen Rundschlag ansetzte und die Gestalt mit seinem nicht verletzten rechten Arm traf.
Sie flog zurück bis an die Brunnenmauer.
Suko aber tauchte zur Seite. Er wußte nicht, wie viele Feinde ihm gegenüberstanden, jedenfalls wollte er es auf eine Hetzjagd durch die Gassen dieser kleinen Stadt nicht ankommen lassen, wich dem Messerwerfer aus und lief auf das nächste Haus zu, dessen Tür einladend weit offenstand. Suko sprang in einen kühleren Flur, drehte sich herum und knallte die Tür hinter sich zu.
Ruhe, Stille — dann der Schmerz! Heiß, betäubend, durch die Schulter, den Arm und auch einen Teil der Brust fließend, so daß der Inspektor das Gefühl hatte, sein Herz würde sich zusammenziehen. Er atmete laut und keuchend. Durch zwei Fenster sickerte Licht. Suko lief zu einem hin, drehte den Kopf nach links und sah erst jetzt, daß dieses Knochenmesser verdammt tief im Fleisch steckte. Da gab es nur eins. Es mußte raus!
Der Chinese war ein harter Typ, gestählt in zahlreichen Kämpfen und Schlachten. Doch die Aufgabe, die vor ihm lag und so einfach aussah, trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Wenn das Messer kleine Widerhaken besaß, konnte er sich leicht das innere Muskelfleisch aufreißen und die Wunde noch vergrößern.
Daran mußte er denken, als er das Ende der bleichen und makabren Waffe mit zwei Fingern umklammert hielt. Er preßte hart die Lippen zusammen, gab sich innerlich einen Stoß und zog mit einem harten Ruck an der schmalen Knochenklinge.
Er riß sie aus dem Fleisch hervor, schleuderte sie weg und schaute dem Blut zu, das aus der Wunde pulste und seine Kleidung näßte, so daß Suko sich gezwungen sah, die Wunde mit Hilfe seines Taschentuchs stramm abzubinden.
Er setzte sich dabei auf den Boden unter das Fenster. Das Tuch hatte er hervorgeholt, und es gelang ihm auch, es um den oberen Arm zu schlingen. Mit den Zähnen hielt er ein Ende fest, um einen möglichst strammen Knoten zu binden. Das war geschafft. Einige Male atmete er tief durch. Seine Wunde schmerzte und hämmerte, als würden in ihr 1000 kleine Teufel toben. Suko hoffte, daß dieses Knochenmesser keimfrei gewesen war. Wenn nicht, hätte er sich möglicherweise noch eine Blutvergiftung zugezogen.
Der Schmerz ließ nicht nach, er zog sich hinunter bis in die Hand, und nur um die zentrale Wunde herum breitete sich eine gewisse Taubheit aus. Suko probierte aus, ob er den Arm bewegen konnte. Das gelang ihm, auch die Finger gehorchten ihm, obwohl jedes Zusammenzucken einen stechenden Schmerz hinterließ. Er saß so, daß er, drehte er den Kopf
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