Arkonadas Totenbuch
Augenblick, als der Kontakt stand, vernahm ich zum erstenmal eine akustische Reaktion der geheimnisvollen Blutgöttin.
Aus einer unauslotbaren Tiefe, die in finsteren Schlünden enden mußte, hörte ich das befreiende Stöhnen der Blutgöttin.
Es war ein schauriger, ächzender Laut, der mir den Schweiß aus den Poren und eine Gänsehaut über den Rücken trieb.
Ein furchtbares Geräusch, als würde jemand gegen den Boden hämmern oder über rauhes Gestein kratzen, wobei in seiner Kehle ein krächzendes Gurgeln entstand.
Schrecklich…
»Aaaagggrrr…«
Wieder durchwehte der Laut das unheimliche Gewölbe. Und auch die junge Griechin neben mir bekam eine panische Furcht davon, denn sie begann damit, heftig zu zittern.
Das Totenbuch aber blieb in einem solchen Winkel stehen, daß seine beiden Enden die aneinanderliegenden Gelenke berührten, als wollten sie dort von den leicht gekrümmten, blau schimmernden Fingern festgehalten werden. Es war der lange Augenblick, in dem noch nichts geschah. Bis zu dem Zeitpunkt, als ein Zittern durch das Totenbuch lief und der obere Deckel plötzlich aufklappte. Alles war so klar und deutlich, daß ich sogar die Schrift lesen konnte.
Eine dunkle Schrift. Vielleicht düstere Worte, aber auch mit einer schwarzen Farbe oder magischen Tinte auf das Papier geschrieben und nur lesbar für den, der auch die Sprache der atlantischen Unterwelt verstand.
Ich begriff sie nicht. Ich konnte nicht einmal die Zeichen-oder Buchstabenfolge lesen und mußte nur zuschauen, was sich weiter ergab.
Die erste Seite wurde umgeschlagen, die zweite auch, und die Schrift nahm jetzt eine andere Farbe an.
Sie zahlte dem Feuer Tribut, dessen Flammen über die Seiten glitten, die einzelnen Zeichen und Buchstaben erfaßten, so daß diese in einem düsteren Rot aufglühten, als wären sie mit einem heißen Brandeisen in die einzelnen Seiten hineingeätzt worden.
Eine Erklärung für diesen Vorgang konnte ich beim besten Willen nicht liefern, so blieb mir nichts anderes übrig, als weiterhin den stummen Zeugen zu spielen und zuzuschauen, wie sich die Magie der Blutgöttin noch entwickelte.
Die Seiten hatten sich verändert. Aus den schwarzen Buchstaben waren flammende Zeichen geworden, für jeden, der sich auskannte und sie lesen konnte, weithin sichtbar. Nur ich schaffte es nicht, aber Eli würde aus dem unheimlichen Totenbuch zitieren können, dessen war ich mir absolut sicher.
Sie redete dann in der Totensprache, und sie würde es schaffen, allein durch Worte, andere vom Leben in den Tod zu holen, damit sie, die Blutgöttin erstarkte.
Ja, sie brauchte Blut.
Ausgezehrt sahen ihre Diener aus. Wahrscheinlich hatten sie einen Großteil ihres Blutes abgeben müssen. Bei den Feinden machte sie dann kurzen Prozeß.
Die Hände umklammerten das Buch. Ich hatte das Gefühl, dicht vor dem alles entscheidenden Schritt zu stehen, und auch der jungen Griechin erging es ebenso.
Sie schaute mich an, sprach zu mir. Schwach sah ich ihr Gesicht mit den großen Augen und las in ihnen von der Angst, die sie umklammert hielt. Bisher hatte sie sich gut gehalten, worüber ich mich nicht einmal so sehr wunderte, denn sie war als Opfer für die Blutgöttin ausgesucht worden und hatte den Weg auf eine gewisse Art und Weise freiwillig gehen müssen.
Auch ich sprach. Es war mir egal, ob sie verstand. »Bei allem, was geschieht, Mädchen, tu mir einen Gefallen und bleib ruhig! Rühr dich nicht vom Fleck. Sei ruhig, bleibe in meiner Nähe. Gemeinsam werden wir es schon…«
Meine Stimme wurde nicht nur von einer anderen unterbrochen, auch übertönt.
Es war ein Organ, bei dem man nicht feststellen konnte, ob eine Frau oder ein Mann sprach.
Zudem drang die Stimme aus allen vier Richtungen gleichzeitig auf mich ein.
Sie las, möglicherweise Worte oder Sätze die auf den aufgeschlagenen Seiten des Buches standen, und ich erwartete deren magische Wirkung auf uns.
Die Worte waren nicht für mich gedacht, sondern richteten sich gegen meine Begleiterin.
Ich konnte es nicht verhindern, weil sie einfach zu schnell war und sie auch überraschend für mich reagierte.
Plötzlich löste sie sich von mir, als hätte sie einen Ruf erhalten. Sie lief genau auf das Zentrum der Magie zu, der Blutgöttin in die Arme…
***
Ich war einfach kalt erwischt worden, sonst hätte ich sie noch schnappen können. Das Ausstrecken des Arms und meine greifende Bewegung wirkten irgendwie lächerlich, da ich keinen Erfolg dahinter sah. Inzwischen
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