Arktis-Plan
Stein und Schnee. Zwei Männer lagen hinter dem Windschutz, geschützt durch eine mit Eis verkrustete weiße Zeltplane, die über ihren Köpfen ausgebreitet und befestigt. Selbst unter dieser Plane war es auf der den Witterungen ausgesetzten Felswand eisig. Und doch harrten die beiden Beobachter unerschütterlich aus. Einer sah durch das Nachtsichtgerät, das an dem Spektiv angebracht war, und der andere lauschte gebannt dem kleinen Funkempfänger, den man ihm ausgehändigt hatte.
In regelmäßigen Abständen führten die beiden Männer ein Selbsterhaltungsritual durch: Die freie Hand legte sich zwischen die Beine, unter die Achselhöhlen und auf das Gesicht, um der entblößten Haut Körperwärme zuzuführen und tückische Erfrierungserscheinungen mit bleibenden Narben zu vermeiden.
Ein dritter Mann in einem Parka kam wie eine Eidechse auf dem Bauch angekrochen und schloss sich den beiden anderen hinter dem Windschutz an.
»Haben Sie etwas zu melden, Corporal?«
»Nichts von Bedeutung, Lieutenant«, brummte der Mann mit dem Fernrohr. »Sie haben ihr Lager im Wrack aufgeschlagen. Durch die Fenster kann man Licht im hinteren Teil sehen. Manchmal auch im vorderen.«
»Lassen Sie mich mal durchschauen«, sagte Lieutenant Tomaschenko.
Der Corporal der Speznas rollte sich zur Seite, um dem Kommandanten seiner Einheit Platz zu machen, und Tomaschenko wand sich hinter das Nachtsichtspektiv und sah die Welt in Grün-und Grautönen. Der Bomber lag auf dem Gletscher unter dem Beobachtungsposten wie ein gestrandeter Wal. Die schwache Andeutung von Beleuchtung, die durch die Astrokuppeln des abgestürzten Flugzeugs sickerte und für das bloße Auge so gut wie gar nicht auszumachen war, wurde durch den Photomultiplier zu einem leuchtenden Gelbgrün verstärkt. Zwischendurch flackerte der Schein, wenn eine Gestalt an den seitlichen Sichtkuppeln vorbeiging.
»Anscheinend fliegen die Anthraxsporen nicht durch das Flugzeug«, murmelte Tomaschenko. »Das ist doch schon mal etwas.«
Tomaschenko und seine Männer hatten sich nicht in die Nähe der abgestürzten Tu-4 vorgewagt und nicht einmal einen Fuß auf den Gletscher gesetzt. Die Befehle der Einheit waren knapp und präzise. Die Absturzstelle und das Untersuchungsteam ständig aus der Ferne beobachten. Die eigene Anwesenheit auf der Insel geheim halten. Eine Entdeckung um jeden Preis vermeiden. Die Erteilung des Eliminierungsbefehls durch den Agenten erwarten, der in das amerikanische Team eingegliedert ist. Eine Stellung beziehen, die bei der Übermittlung besagten Befehls sofortiges Einschreiten ermöglicht. Zum Rückzug in das U-Boot bereithalten, falls der Befehl nicht erteilt werden sollte.
Tomaschenko wollte den Funkbeobachter fragen, ob er etwas gehört hatte, doch er hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück. Wenn das Signal vernommen worden wäre, hätte er es erfahren. Bis zu dem Moment mussten sie warten.
Kapitel neunundzwanzig
Forschungsstation Wednesday Island
Randi Russell lag still im Dunkeln. Im weitaus größeren Bereich der Schlafbaracke auf der anderen Seite der Trennwand konnte sie den schweren Atem von Dr. Trowbridge hören, das Geräusch, auf das sie gewartet hatte.
Vor einer Stunde hatten sie und Trowbridge das Feuer in der Schlafbaracke mit Asche bedeckt und waren ins Bett gegangen. Randi hatte sich jedoch im Quartier der Frauen vollständig angekleidet in Kayla Browns Koje ausgestreckt und gar nicht schlafen wollen. Jetzt stand sie leise auf und begann, sich auf die Kälte draußen vorzubereiten. Sie zwängte drei Paar Socken in die weißen Thermoplaststiefel. Dann kamen der Parka und die Thermohose mit der Lady Magnum und ihren Quickloadern in der Holstertasche. Schließlich zog sie dünne Handschuhe aus Aramidfasern und darüber Lederhandschuhe an, streifte einen weißen wollenen Kopfschützer über, und zu guter Letzt kam die Schneetarnkleidung.
Um sie herum herrschte vollständige Dunkelheit. Bevor sie sich hingelegt hatte, hatte sie alles, was sie brauchen würde, sorgsam bereitgelegt und jeden ihrer Schritte in Gedanken vorausgeplant.
Jetzt ging sie dahin, wo sie ihren Rucksack abgestellt hatte, und zog aus einem der äußeren Fächer eine kleine Plastikhülle heraus. Dann schlang sie sich ihre Patronentaschen und ihre Maschinenpistole über die Schulter und nahm eine zusammengefaltete Hudson’s Bay Decke aus der oberen Koje.
Sie schob die Falttür in dem Raumteiler zur Seite und schlich durch die Schlafbaracke zur
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