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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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produ­ziert worden. Newcomens Maschine war wiederum die Nachfolgerin der Dampfmaschine, die sich der Englän­der Thomas Savery im Jahr 1698 hatte patentieren lassen und die wiederum der Dampfmaschine des Franzosen Denis Papin nachfolgte, die dieser um 1680 entworfen (aber nicht gebaut) hatte und die ihrerseits Vorläufer in den Ideen des holländischen Wissenschaftlers Christiaan Huygens und anderer hatte. Damit soll keineswegs ge­leugnet werden, daß Watt die Maschine von Newcomen stark verbesserte (unter anderem, indem er getrennte Kondensierungskammern einbaute und die Vakuumbe­dingungen verbesserte), wie auch Newcomens Dampf­maschine eine starke Verbesserung gegenüber der von Savery darstellte.
    Ähnliches läßt sich über alle modernen Erfindungen berichten, sofern sie nur ausreichend dokumentiert sind. Der große Erfinder, der die Lorbeeren erntet, konnte stets auf Vorgänger zurückgreifen, die etwas Vergleichbares im Sinn hatten und bereits Entwürfe, Modelle oder (wie im Fall der Dampfmaschine von Newcomen) sogar kom­merziell erfolgreiche Typen angefertigt hatten. Edisons berühmte »Erfindung« der elektrischen Glühbirne am Abend des 21. Oktober 1879 stellte eine Verbesserung zahlreicher anderer Glühbirnen dar, für die zwischen 1841 und 1878 Patente angemeldet worden waren. Ähn­lich hatte das bemannte motorisierte Flugzeug der Brü­der Wright als Vorläufer die bemannten unmotorisierten Hängegleiter von Otto Lilienthal und das unbemannte motorisierte Flugzeug von Samuel Langley; dem Tele­graphen von Samuel Morse waren die von Joseph Hen­ry, William Cooke und Charles Wheatstone vorausge­gangen; und Eli Whitneys »Cotton Gin« zum Reinigen kurzstapeliger Baumwolle stellte im Grunde eine Ver­besserung von Geräten dar, die seit Jahrtausenden zum Reinigen langstapeliger Baumwolle gedient hatten.
    All das soll nicht heißen, daß Watt, Edison, die Brü­der Wright, Morse und Whitney keine beeindrucken­den Fortschritte machten, und es soll auch nicht ab­gestritten werden, daß erst durch sie die kommerzielle Nutzung der jeweiligen Erfindung möglich oder verbes­sert wurde. Die letztendlich erfolgreiche Form der Er­findung könnte ohne den Beitrag des »offiziellen« Erfin­ders in der Tat anders aussehen. Uns interessiert jedoch die Frage, ob die Weltgeschichte völlig anders verlaufen wäre, wenn ein bestimmter genialer Erfinder nicht an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit geboren worden wäre. Die Antwort ist eindeutig: Einen solchen Menschen hat es nie gegeben. Alle anerkannten berühmten Erfinder hatten fähige Vorgänger und Nach­folger, und alle leisteten ihren Beitrag zu einem Zeit­punkt, zu dem die Gesellschaft, der sie angehörten, für die Neuheit reif war, sprich sie zu nutzen wußte. Wie wir sehen werden, bestand die Tragödie des Schöpfers der Stempel, mit denen die Schriftzeichen in die Scheibe von Phaistos geprägt wurden, darin, daß er etwas schuf, mit dem die Gesellschaft, in der er lebte, noch nicht viel anfangen konnte.
    Bei den bisherigen Beispielen ging es um die moder­ne Technik, deren Vorgeschichte wohlbekannt ist. Mei­ne beiden wichtigsten Folgerungen lauten, daß er­stens die Entwicklung von Techniken kumulativ und nicht in heroischen Einzelakten erfolgt und zweitens die meisten Anwendungen erst gesucht werden, nach­dem eine Erfindung bereits gemacht ist, und nicht um­gekehrt. Diese Folgerungen gelten sicher in noch stär­kerem Maße für die Geschichte frühzeitlicher Techni­ken, über die wir kaum etwas wissen. Als eiszeitliche Jäger und Sammler an ihren Feuerstellen auf verglühte Reste von Quarzsand und Kalkstein blickten, konnten sie unmöglich die lange, verschlungene Kette von Ent­deckungen vorhersehen, die über die ersten Glasuren (um 4000 v. Chr.), die ersten freistehenden Glasobjek­te Ägyptens und Mesopotamiens (um 2500 v. Chr.) und das erste gläserne Gefäß (um 1500 v. Chr.) zu den ersten römischen Glasfenstern (um 1 n. Chr.) führen sollte.
    Wir wissen nichts über die Entstehungsgeschichte je­ner ältesten bekannten Glasuren. Jedoch können wir auf die bei prähistorischen Erfindungen angewandten Me­thoden schließen, indem wir das Verhalten technisch »primitiver« Völker der Gegenwart beobachten, wie etwa der Neuguineer, mit denen ich viel Zeit bei mei­nen Forschungen verbringe. Ich erwähnte bereits ihre Kenntnisse über Hunderte lokaler Pflanzen- und Tier­arten sowie deren Eßbarkeit, medizinischen Nutzen und

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